Afghanistan – Beim Buzkashi

Elke R. Richter

by Elke R. Richter

Story

Während unseres Aufenthalts in Kabul fanden die Reiterspiele Buzkashi statt. Damals trafen sich im Oktober die besten Mannschaften aus verschiedenen Gegenden Afghanistans und spielten um den Siegertitel. Die Wettkämpfe waren meistens ausverkauft. Vor den Kassen des Stadions standen lange Menschenschlangen, um noch Eintrittskarten zu ergattern. Es hieß, dass Touristen den doppelten Preis zahlen mussten. Ich regte mich darüber auf und schimpfte: »So eine Ungerechtigkeit.»

Hilfesuchend wandte ich mich an einen gut gekleideten Afghanen hinter uns. »Excuse me, could you help us to buy the tickets?« Fragte ich ihn. Er schaute mich verständnislos an und antwortete: »Entschuldigung, ich spreche kein Englisch, ich verstehe nur Deutsch.«

Zunächst war ich sprachlos. Doch dann freute ich mich über sein Angebot, uns beim Kauf der Tickets zu helfen.

Wir betraten die Arena. Es wimmelte von Spielbegeisterten, die zu den verschiedenen Rängen strebten. Im Nu waren wir von Einheimischen umgeben, die uns in eine Richtung schoben. Aber zum Glück blieb unser Begleiter bei uns und führte uns zu den Sitzplätzen.

Das Spiel begann. In einem markierten Kreis lag eine tote Ziege. Die Reiter, die ohne Sattel auf ihren Pferden saßen, sammelten sich und stürmten plötzlich los. Jeder der fünfundzwanzig Spieler versuchte, in die Nähe der Markierung zu kommen, um das Tier mit den Händen zu greifen. Dabei wurde er von den anderen Teilnehmern, auch aus seiner Mannschaft, behindert.

Oft bekämpften sich die Männer gegenseitig. Deshalb trugen sie dicke Kleidung und einen Kopfschutz. Wem es gelang, die Ziege zu ergreifen, der preschte los in Richtung Ziel (ein weiterer markierter Kreis) oder zum Preisrichter. Die anderen Reiter verfolgten ihn, versuchten, ihm das Tier abzunehmen oder schnitten ihm den Weg ab. Bei diesen Kämpfen setzten sich auch die Pferde mit Beißen und Drängeln durch. Wenn ihr Reiter herabfiel, hielten sie sich jedoch zurück. Waffen waren beim Buzkashi nicht erlaubt.

Plötzlich ertönte der Ruf eines Muezzins: »Allahu akbar, allahu akbar …«

Das Spiel wurde unterbrochen und die Reiter sprangen von ihren Pferden. Sie und die Zuschauer wandten sich in Richtung Mekka und nahmen die Gebetshaltung ein. Zuerst standen sie, dann knieten sie nieder und beugten sich so weit nach vorn, dass die Stirn den Boden berührte. Nach dem Gebet ging das Reiterspiel weiter, bis der Preisrichter den Sieger verkündete.

© Elke R. Richter 2021-04-02

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