by Gerda Modera
Fünf Uhr morgens. Dunkle Wolken und Nebelschwaden hängen über den Nockbergen. Dazwischen ein zarter Lichtstreifen, der die Sonne erahnen lässt. Es wird wieder heiß und drückend schwül werden. Weiterschlafen kann und will ich nicht mehr und bevor ich zum See abzische, nütze ich noch die Zeit zum Schreiben. Ein lauter Knall lässt mich aufschrecken. Der Zeitungszusteller übt wieder Zeitungs-Ziel-Weitwerfen aus dem fahrenden Auto. Diesmal traf er sie genau. Die Haustür. Nicht immer ist er so treffsicher. Zum Leidwesen meiner Mutter landet die mit einem Gummiband zusammengerollte Zeitung statt auf dem Fußabstreifer oft in einer Wasserlacke. Genug Wasser von oben gab es ja heuer schon und der liebe Zeitungsmann sollte besser zielen lernen, oder zu Fuß die Zeitung austragen.
Ja, das Wasser und ich. Wir haben eine ganz besondere Beziehung zueinander. Von eiskalt bis bacherlwarm, mir ist alles recht. Nur die Wasserqualität, die sollte schon passen. Doch heuer bin ich noch nicht auf meine Kosten gekommen. Meinen Kiesstrand bei Linz hat die trübe schlammfarbene Donau seit Wochen okkupiert, in den Baggerseen tummeln sich Zerkarien, der Gardasee lockt heuer auch nicht, und im Atlantik treiben riesige braune Algenteppiche herum. Sargassum, die im Übrigen “zur Alge des Jahres” gekürt worden ist. Eine toxische Kombination aus Plastik, Bakterien und Algen. Verrotten sie, stinken sie nach Schwefelwasserstoff, Ammoniak und riechen wie faule Eier.
So schlimm war es zwar nicht. Aber mein Eintauchen zwischen den Algenteppichen in der oberen Adria bei Triest war trotz angeblicher gesundheitlicher Unbedenklichkeit schon eine große Überwindung. Und die fast dreißig Grad Wassertemperatur wirkten auch nicht gerade erfrischend. Dafür war der vanillefarbene Algenteppich, der sich rund um die Fischerboote angesammelt hatte, künstlerisch betrachtet sogar anmutig anzusehen und erinnerte mich an Dreadlocks.
Zurück vom Urlaub booste und entgifte ich nun vorsichtshalber mit Mikroalgen. Blauen Spirulina und grünen Chlorellatabletten, sollte ich beim Schwimmen in der Bucht doch ein paar Schwermetalle aufgenommen habe. – Und zum Thema Algen fällt mir gerade noch etwas ein. Anfang der Siebzigerjahre hatte der Millstättersee noch keinen Ringkanal und es blühten im Sommer nicht nur die Blumen auf den Almen, sondern auch die Rotalgen. Der See war von einem rotbraunen Algenteppich komplett bedeckt. Uns egal. Jung und unbedacht kurvten wir beim Wasserschitraining und der Nachtwasserskishow durch die warme Brühe und hatten sogar großen Spaß daran. Stürzen wollten wir dabei aber nicht unbedingt.
Das Knattern eines Mopeds lässt mich nun aus der Erinnerung erwachen. Ich schaue durchs Fenster und sehe Fischersfritz mit Angelzeug am Sozius Richtung See abbiegen.
Das ist mein Zeichen. Ab zum Wasser und genüsslich eintauchen. Und sollte ich beim Kraulen zufällig einen Schluck Wasser erwischen, kein Problem. Mein See hat Trinkwasserqualität.
© Gerda Modera 2024-07-31