alles ganz gewöhnlich!

Emmely Fürst

by Emmely Fürst

Story

Eine ganz gewöhnliche Familie sitzt in einem ganz gewöhnlichen Restaurant an einem ganz gewöhnlichen Tag. Die Sonne blitzt ab und an hinter grauen Wolken hervor. Es sieht nicht nach Regen aus. 

Im Restaurant befinden sich mehrere Tische mit mehreren Leuten, die mehrere Gespräche gleichzeitig führen. Köstlich duftende Gerichte werden zu kalten und warmen Getränken serviert. Geschirr klappert laut, wird hier und da von Kinderlachen begleitet.

Die Bedienung kritzelt gewöhnliche Bestellungen auf einen gewöhnlichen Kellnerblock und geht ihren gewöhnlichen Weg zwischen Küche und Tischen auf und ab. 

Stuhlbeine scharren über den rauen Fliesenboden, wenn Menschen kommen oder gehen. Sich setzen oder stehen. Es ist ein gewöhnlicher Tag. Die Sonne blitzt ab und an hinter grauen Wolken hervor. Es sieht nicht nach Regen aus. 

Ein gewöhnlicher Mann sitzt unbeholfen inmitten der Menge. Sein Herz schlägt holprig. Seine schwachen Muskeln zittern von der Last seines massigen Körpers. Er befindet sich in Gesellschaft einer gewöhnlichen Familie, seiner gewöhnlichen Frau und Kinder. Der Mann bestellt ein gewöhnliches Mahl.

Als das Essen nach einer gewöhnlichen Wartezeit von der Bedienung an den Tisch gebracht wird, fangen alle Mitglieder der Familie an zu speisen. Alles ganz gewöhnlich. Nur dem Mann bereitet dies Schwierigkeiten. Seine Finger zittern und krampfen ganz anders als gewöhnlich.

Mehrfach versucht er dampfendes Essen gen Mund zu befördern. Statt eines gesättigten Gefühls im Magen bildet sich neben seinem gewöhnlichen Teller ein Garten aus Buttergemüse. Seine Miene versteift sich. Ihm entgleitet sein Besteck. Es sieht nicht nach Regen aus. 

Seine Frau greift nach der Gabel, befördert Nahrung in seinen Mund. Der Mann schnappt nach Luft. Ein Brokkoliröschen verschließt seine Luftröhre.

Panisches Würgen übertönt gewöhnliches Kinderlachen. Hervorquellende Augen erblicken gewöhnliche Menschen. Verzweifelte Hände kratzen an einem gewöhnlichen Hals. Es sieht nicht nach Regen aus.

Abschätziges Flüstern raunt von Sitznachbar zu Sitznachbarin. Bedienungen schleichen leise zurück zur Küche. “Kann sich der fette Kerl nicht aufführen, wie jeder gewöhnliche Mann in einem Restaurant? Der scheint von seinem Fraß gar nicht genug zu bekommen. Stirbt er jetzt, oder was? Hier befinden sich Kinder! Kein Wunder, wer so schaufelt, dem gehört es nicht anders.” 

Gewöhnliche Menschen verlassen eine zerbrochene Familie. Eine gewöhnliche Gabel liegt auf einem gewöhnlichen Boden neben einem leblosen Mann, betrauert von einer gewöhnlichen Familie an einem gewöhnlichen Tag – in einem gewöhnlichen Leben. 

Graue Wolken verdunkeln den Himmel. Es ergießt sich heftiger Regen.

© Emmely Fürst 2025-08-25

Genres
Novels & Stories
Moods
Dunkel, Emotional, Traurig, Angespannt
Hashtags