Alles Wien oder was? – Für Flaco

Jamal Tuschick

by Jamal Tuschick

Story
Sie sehen Harry Rowohlt und Ingomar von Kieseritzky vor der Berliner Akademie der Künste am Pariser Platz. Damals rauchten Schriftsteller noch.

Hallo Falco, wie findest Du das?

1153 erklärt der Kartograf Abu Abd Allah Muhammad ibn Muhammad ibn Abd Allah ibn Idris al-Idrisi „neben Ulm, Regensburg und Passau auch Krems zu einer bedeutenden Donaustadt“. Der Witz dabei, der Gelehrte hielt Krems für bedeutender als Wien. Aus Claudio Magris, „Gekrümmte Zeit in Krems“

Im Frühjahr 1828 heuert Rosa Brugger als Dienstmädchen in einem Palais im zweiten Wiener Bezirk an. Die bis eben nur mit dem Allerdürftigsten vertraute Tochter eines Müllers wähnt sich in einem Kaiserschmarrn-Tadsch Mahal, während der Hausherr gerade das Notwendigste von den örtlichen Verhältnissen gewährleistet findet. Ein Personalstab von sechsunddreißig Personen dient der sechsköpfigen Familie um den alten Reischach. Sein Vorbild in der Wirklichkeit könnte Feldmarschall Lieutenant Judas Thaddäus Freiherr von Reischach (1776 – 1839) gewesen sein. Aus Judith W. Taschler – „Paternalistische Fürsorge“

Der Himmel über Wien schildert sich als „lachsfarbenes Ekzem“. Das Café Jelinek besteht seit hundertzehn Jahren als Institution im 6. Bezirk. Ein besonderer Reiz liefert das Belle-Époque-Interieur. Die baedekereske Ursprünglichkeit bildet zumindest halbwegs einen Unique Selling Point. Federico Italiano registriert den verbürgten „Jugendstil eines Gusseisenofens“. Die Heizkörper stehen unter Denkmalschutz. Das Biedermeiersofa und der Marmortisch sind der Rede wert. „So unerschütterlich wie ein Samurai“ erscheint dem lyrischen Ich der Stil des Hauses. Aus Federico Italiano, „Sieben Arten von Weiß“

Lisa studierte zu Gustav Klimts Jugendstilzeiten Kunst in Wien, saß in der Aktklasse neben Adolf Hitler, übernahm von Brecht oder seiner Mutter ein Lebkuchenrezept, und kriegte weibliche Zwillinge von einem ukrainischen Architekturstudenten, dem als Stummfilmstar John Gottowt ein Nachleben im kollektiven Gedächtnis beschieden war. Aus Fredrik Sjöberg, „Mama ist verrückt und Papa ist betrunken“

Im Handlungspräsens trägt Marty als Leiter des Instituts für Astrophysik der Wiener Universität zu jener geistigen Evolution bei, die vom Hubble-zum James-Webb-Weltraumteleskop führt. („Das JWST startete am 25. Dezember 2021.“ Wikipedia) Aus Zoë Jenny, „Der verschwundene Mond“

„Erst jetzt bemerke ich ihren hellblauen Nagellack. In Wien hat Pia nie welchen getragen.“ Aus Marie-Alice Schultz, „Der halbe Apfel“

Die meisten Demokratien von der Antike bis heute seien sehr homogen gewesen, sagt Mounk. „Viele der erfolgreichen diversen Gesellschaften waren eher Monarchien von Bagdad im 9. Jahrhundert bis Wien im 19. Jahrhundert.“ Yascha Mounk, „Wie Diversität die Demokratie bedroht und bereichert“



© Jamal Tuschick 2024-05-13

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Novels & Stories
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Abenteuerlich
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