Badewanne zum Hochzeitstag

Sandra Elisa Haiden

by Sandra Elisa Haiden

Story

Wir wussten beide nicht, unser wievielter Hochzeitstag es war. Aber wir hatten Lust ihn zu feiern. In einer besonderen Luxustherme mitten im Nirgendwo. In einem privaten Spa, mit Whirlpool nur für uns. Ein ungestörtes, heißes Schaumbad, in dem natürlich Rosenblätter schwimmen. Selbstverständlich mit einer Flasche gekühltem Champagner in Reichweite. Was für ein tolles Geschenk. Ich liebe es. Ich will ein Bild für Instagram machen: Von meinen leicht gebräunten, frisch rasierten Beinen und den tiptop pedikürten Füßen, die sich stellenweise mit Schaum bedeckt aus der Wanne rekeln. Ich will diesen Moment teilen und ihn perfekt machen. Festgehalten für alle. Wo war doch gleich mein Handy? Achja, ich habe es nicht hier. Absichtlich nicht. Ich wollte im Hier und Jetzt sein und nicht online. Es klopft an die Türe. Nicht dezent. Es klatscht. Es sind kleine Hände. Jemand ruft mich. Nicht lieblich. Eher Fordernd. Jetzt hämmert es. Ich öffne meine Augen.

Ich sehe meine Füße aus unserer Badewanne ragen. Unpedikürt. Meine Waden sind weiß wie die Wand oder eben wie Waden im Winter in Österreich nunmal aussehen. Stoppelig sind sie auch. Heute morgen war keine Zeit zum Rasieren. Oder habe ich es vergessen? Ich weiß es wirklich nicht mehr. Für Instagram taugt der Anblick jedenfalls nicht. Draußen verwandeln sich die Rufe in ein Schluchzen. Ich brülle: “Ich will alleine sein, niemand darf rein!”. Nach dreißig Sekunden revidiere ich meine Meinung. “Okay, er darf zu mir.” Ich bin ja kein Unmensch. Bald steht ein völlig aufgelöster, kleiner Junge mit blonden Locken vor mir. Dicke Tränen kullern über seine Backen. Er umarmt mich und versucht samt schwarzer Strumpfhose in die Wanne zu klettern. Ich trockne sein Gesicht und lade ihn zu mir ein. Er strahlt sofort und freut sich über den Schaum. Es kommen noch mehr Menschen herein. Ich werde zu verschwundenen Gegenständen befragt. Es herrscht ein Kommen und Gehen. Dann gehe ich auch. Raus aus meiner heißen Badewanne mit Erkältungsbadschaum. Hinter mir wird der Boden von den Kindern freudig überschwemmt. Ich blicke zufrieden meine weißen Beine hinunter. Ich fühle mich besser. Diese fünf Minuten alleine zu baden waren großartig. Bestes Geschenk. Ich liebe es. Und meine Beine, die rasiere ich morgen. Wahrscheinlich.

© Sandra Elisa Haiden 2022-03-16

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