Bad Gasteins Bergparadies

Brigitte Kronabetter

by Brigitte Kronabetter

Story

Als ich mit 13 Jahren von Bad Gastein in eine oberösterreichische “Nudelbrett-Ebene” übersiedelt wurde, lag ich lange in Heimweh-Agonie. Von Weinkrämpfen und Schlaflosigkeit geplagt, appetitlos und verzagt, war ich untröstlich.

Dabei bot der neue Wohnort Schwanenstadt mehr Annehmlichkeiten. Mein Vater hatte einen Gerichtsbezirk mit herrschaftlicher Dienstwohnung samt romantischem Obstgarten übernommen. Das Klima war wärmer als im Tauerntal und eine gesellige Gemeinschaft nahm uns freundlich auf, was mir den Verlust der Gasteiner Freundschaften erleichterte.

Was hat das verwinkelt-enge, klimatisch raue, oft vom Föhn durchfegte Hochtal an sich? Ich litt wie unter einem Drogenentzug – was fehlte mir so sehr? Es lag nicht nur am malerischen Zentrum rund um den tosenden Wasserfall, dem berühmten Kur- und Wintersportort mit seinen Prachtbauten.

Wir wohnten oben, nahe Böckstein, im wenig verbauten Tal, von mächtigen Bergen geradezu eingekreist. Der Blick himmelwärts zu den klar profilierten Formen bezauberte mich täglich. Trotz der Nähe der Berge fühlte ich mich nie von ihnen erdrückt. Da ist kein Zuviel, weder an strengem Fels, noch an dunklem Wald oder leeren Grashängen. Ich konnte mich nicht sattsehen an der sanft-mächtigen Harmonie, sie wurde meine ideale Landschaft, in der ich wurzelte.

Jetzt, beim Erzählen, realisiere ich das Glück, als wäre keine Zeit vergangen: diese Wurzeln erfüllten mich mit tiefer Freude & Kraft. Dabei wirkte das Umfeld mit: die von Weidetieren bevölkerten Freiräume bis zur Ache mit ihrem transparent-grünen Wasser, in dem Forellen und Wasseramseln aufblitzten; längs des Tals Hochwälder voller Pilze und Beeren, mit Lichtungen, wo ich Wild beobachten konnte; der Weg hinauf zu den Almen im Nassfeld (heute die Straße nach “Sportgastein”), zwischen steilen Fels- & Grashängen, gerahmt von weiß-fließenden Schleiern der Wasserfälle…

Jenes berühmte Bad Gastein am Wasserfall war damit nicht vergleichbar, ich empfand es aber als krönende Ergänzung. Seit der Blüte als kaiserzeitliches Heilbad gab es hier altösterreichische Traditionen. Omi Leopoldine spazierte oft mit mir hinunter zu einem der eleganten Kaffeehäuser oder zu Konzerten im Gastgarten.

Damals war Gastein ab Dezember tief verschneit, für uns Kinder eine wunderbare Zeit! Turnunterricht fand häufig mit Rodeln oder Schiern statt. Ich durfte schon früh mit meinen Eltern zum Schifahren. Ab 16 Jahren erlaubten sie mir, in den Ferien als Badgasteiner Schilehrerin zu arbeiten. Erst damit endete mein Heimweh definitiv.

Jetzt hat Bad Gastein schwere Jahre hinter sich. Die Bauten im Zentrum schienen unrettbar zu verfallen. Doch die Renovierung hat begonnen, ich freue mich auf ein neues Erblühen des Juwels.

Oben ist durch Neubauten wenig Land übrig. Die Berge aber strahlen wie bisher. Immer schon empfanden Menschen Berge als Himmelskraft – “Thron der Götter”. Wer ihnen nahe ist, bleibt dafür ein Leben lang dankbar.

© Brigitte Kronabetter 2019-10-31

Hashtags