Berg der Kreuze

Dieser Ort soll schon im Mittelalter eine Opfer- und Gebetsstätte gewesen sein. Noch aus meiner Kindheit kenne ich eine Legende über ihn. Sie handelt von einem Vater, dessen Tochter erkrankt war. Eines Nachts erschien ihm eine weiß gekleidete Frau und trug ihm auf, auf dem Hügel ein Kreuz aufzustellen. Der Vater tat, wie ihm geheißen, und bei seiner Rückkehr fand er seine Tochter gesund vor.

Besonders zu Anlässen wie Hochzeiten und Geburten kommen die Litauer, um ein Kreuz für ihre Liebsten aufzuhängen. Ich war seit meiner Jugend nicht mehr hier, ich habe ganz vergessen, wie eindrucksvoll der Berg der Kreuze aussieht. Selbst, wenn man nicht tiefgläubig ist.

In den letzten Wochen habe ich eine Rundreise durch Litauen gemacht, etwas, dass ich schon seit meiner Jugend machen wollte. Nur mein Hund Henry und ich in unserem grauen Honda; wir haben im Auto oder in kleinen Herbergen geschlafen. Nach drei Tagen in Vilnius und Trakai, wo auch die alte Wasserburg steht, waren wir im Aukštaitija-Nationalpark, dem ältesten und zweitgrößten Nationalpark Litauens. Wir camptem eine Woche am Rande des Nationalparks, ehe wir weiter an die Ostsee fuhren: 3 Tage an der Kurischen Nehrung, 5 Tage in Palanga und in der Hafenstadt Klaipėda und 3 Tage im sagenumwobenen Žemaitjia Nationalpark; dieser umfasst den großen Plateliai-See, in dessen Inneren ein weißes Pferd leben soll.

Jetzt bin ich fast am Ziel meiner Reise angelangt und warte am Berg der Kreuze. Marius und ich haben uns seit 10 Jahren nicht gesehen; vor zwei Monaten hat er mich in der Facebook-Freundesliste meines Cousins wiedergefunden. Da meine Reise schon geplant war, hatten wir in einem unserer vielen Gespräche verabredet, uns genau heute hier wiederzutreffen, noch einige Tage durch das Land zu fahren und campen. Zunächst wollen wir durch den Bezirk Panevėžys fahren, auf den Spuren der Eltern meiner angeheirateten Tante und des Sanatoriums, das heute wie damals auf einer kleinen Lichtung im Wald steht.

Schon als Teenager hatten wir genug Unsinn für zwei Leben im Kopf – wie die Reise jetzt wohl weiter gehen wird?