Berlin ist dein Bier

Maria Berndt

by Maria Berndt

Story

Berlin ist fĂŒr mich wie der Geruch von Bier. Der Kontext bestimmt, ob dabei an Geselligkeit, Spaß, an goldgelbe Lebensfreude gedacht wird oder ob dadurch die Verzweiflung, Reue und Ausweglosigkeit nur noch offensichtlicher wird. Wenn sich der Geruch von Bier mit dem von Limonade, von Gegrilltem, von Sonnencreme vermischt, riecht es nach Lebensfreude, nach Freiheit, danach, dass die besten Tage noch sehnlichst irgendwo auf einen warten. Wenn man kein Klirren von MaßkrĂŒgen oder von gekĂŒhlten Flaschen hört, sondern eher das Knacken von Dosen, das verrĂ€terische GerĂ€usch, das eine Plastikflasche von sich gibt, wenn man zu gierig aus ihr trinkt, ja dann verĂ€ndert sich das GefĂŒhl. Das Hopfige wird mit Schalheit verbunden, man erinnert sich nur daran, wie der letzte Schluck am Boden des Glases schmeckt. Hoffnungslosigkeit, die sonst durch den Geruch von Holzkohle ĂŒberdeckt wurde, wird sichtbar. Im selben Moment, in dem irgendwo in Berlin Helles beim Zuprosten aus den GlĂ€sern schwappt, rinnt es nicht weit davon entfernt in einem U-Bahn Wagon auf den Boden. In beiden FĂ€llen wird so getan, als wĂ€re nichts passiert, doch es klebt.

Wir können nicht wissen, ob das GerĂ€usch beim Öffnen einer Dose jemanden in die freudigsten oder dunkelsten Zeiten zurĂŒck versetzt. Berlin zeigt dir jedoch, dass du genau darĂŒber mal wieder nachdenken solltest. Was wir in einem Geruch, einem GerĂ€usch oder eben in einer ganzen Stadt finden, was es mit uns macht, an was es uns erinnert und was es an die OberflĂ€che treibt, das bleibt bei uns. Wir können versuchen, uns einem LebensgefĂŒhl hinzugeben, werden uns vielleicht genug tĂ€uschen lassen, um zu denken, es sei tatsĂ€chlich ein kollektives, doch dann ist da Biergeruch am Dienstagmorgen in der Bahn und man wird daran erinnert, dass man niemals auch nur annĂ€hernd ĂŒber die eigene RealitĂ€t hinaus schwappen wird. Selbst wenn wir es versuchen, bleibt am Ende doch alles subjektiv, genauso subjektiv, wie wir alle Berlin wahrnehmen.

Berlin und Bier – fĂŒr manche einfach da, fĂŒr andere wortwörtlich der Grund, ein riesiges Fass aufzumachen. Zu beidem hat so gut wie jede und jeder eine Meinung, alle können etwas dazu sagen, kontrovers diskutieren und sich auf das Drahtseil zwischen Klischees und der vermeintlichen Wahrheit begeben. Eins ist sicher, du kannst die Einsamkeit hier verlieren oder ganz neu entdecken, du kannst dich zu Hause und fremd fĂŒhlen, manchmal zur selben Zeit. Berlin macht es einem nicht immer ersichtlich, ob sich das grĂ¶ĂŸere Leid in BiergĂ€rten oder an Supermarktkassen, in der Stille oder bei ohrenbetĂ€ubender Musik abspielt.

Am Ende muss es dir schmecken und dir muss bewusst sein, dass egal wie durstig du bist, es in deiner eigenen Verantwortung liegt, mit was du diesen Brand löschst.

und ganz wichtig: Pfand kommt daneben!

© Maria Berndt 2022-03-15

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