by Gernot Trost
Ich war zwei Jahre alt, als meine Omi von uns ging. Ich habe an unsere gemeinsame Zeit keine Erinnerungen (mehr), die ich abrufen kann. Lediglich durch Fotos und Gespräche mit meiner Mama kann ich unsere Beziehung wieder aufleben lassen.
Wenn man zuhause sitzt und Fotoalben durchblättert, findet man immer wieder Bilder, die ihren Stolz auf ihr Enkelkind gar nicht besser beschreiben könnten. Manchmal frage ich mich, wie unser Weg ausgesehen hätte, wenn sie den Kampf gegen den Krebs nicht verloren hätte.
Ich hätte noch so viele schöne Augenblicke mit ihr teilen können: Meinen ersten Schultag, gemeinsame Weihnachtsfeste, meine Hochzeit oder einfach nur die kleinen Momente, die das Leben so schön machen.
Es ist immer tragisch, wenn dich Menschen plötzlich verlassen, jedoch bin ich seitdem von großen Verlusten verschont geblieben. Ich denke sehr oft über den Tod nach und ich habe ehrlich gesagt schon Angst davor, wenn mir das Leben einen Schlag in die Magengrube verpasst und ich einen geliebten Menschen verliere.
Gespräche, die man nie wieder führen kann.
Hände, die man nie wieder halten kann.
Augen, in die man nie wieder sehen kann.
Nie wieder. Nie wieder? Der Gedanke an die Endgültigkeit lässt mich erschaudern. Ich frage mich, ob meine Omi mich gerade sieht, ob sie stolz auf mich ist und ob sich unsere Wege wo auch immer noch einmal kreuzen.
Ich habe schon viele Gespräche mit meiner Frau, meiner Familie und meinen Freunden geführt und ich bin noch auf der Suche nach meiner Vorstellung, was mich nach meinem Leben noch erwartet.
Ich bin mir sicher, dass da noch etwas kommt – doch wie sieht dieses Etwas aus? Der Gedanke vom Paradies ist mir etwas zu abstrakt, darunter kann ich mir nicht wirklich etwas vorstellen. Da fällt mir plötzlich ein guter Freund ein, der mir auf die Frage “Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?” geantwortet hat:
“Ich glaube, dass man nach dem Tod in eine große Halle kommt, in der eine lange Tafel steht. An dieser Tafel sitzen Menschen, die du zu Lebzeiten gekannt und geliebt hast. Dort hast du die Möglichkeit, mit ihnen Bier zu trinken.” Ich finde diese Vorstellung sehr simpel, aber doch befriedigend.
Mit diesem Gedanken kann ich mich anfreunden.
Omi, irgendwann sehen wir uns wieder – ich hoffe, du magst Bier.
© Gernot Trost 2020-08-15