by Ada Diagne
Nabous Afro war ein Dickicht aus Zwirbeln und Locken. Seit Nabou denken konnte, hatte Mutter Aicha ihr den Afro frisiert; den Kamm in der geballten Faust wie eine Machete. Mit fünf Jahren schrie Nabou so laut, dass die Mutter ihr in die Wange zwickte. Mit vierzehn beschloss sie, sich nicht länger auf die Zunge zu beißen. „Dann such dir jemand anderen, der sich mit deinem Busch herumschlägt“, sagte die Mutter und verschränkte die Arme vor der Brust. „Oder mach dir Zöpfe.“
Von einer Bekannten bekam Nabou die Nummer von Binta. Binta hatte einen kleinen Frisörladen in der Innenstadt.
„Binta weiß immer, was in Dakar gerade getragen wird“, versicherte die Bekannte.
Eine Woche später stand Nabou vor dem Frisörgeschäft. Es war ein kleiner Laden in einer ausgestorbenen Seitenstraße; die Ladenscheiben staubig, in der Auslage Puppenköpfe mit verschiedenen Glatthaar-Perücken. Über dem Eingang stand in abblätternden Lettern ‚Bintas Schönheitssalon‘. In der Tür lehnte ein dünnes Mädchen. „Ihr Amerikanerinnen seid immer so pünktlich“, lachte sie.
„Ich komme aus Europa“, sagte Nabou.
Das dünne Mädchen war nicht die Frisörin, sondern eine Cousine. Sie verschwand im Hinterhof und Nabou wartete im leeren Salon. Nach einer halben Stunde tauchte Binta auf; riesenhaft, mit großem Bauch und großen Brüsten. Sie trug ein buntgemustertes Wickelkleid, die schweren Schultern nackt, ihr Haar mit einem Tuch umschlungen. Es folgte ein kurzer Austausch an Begrüßungsfloskeln. Binta orderte Nabou an, auf dem Stuhl vor dem Waschbecken Platz zu nehmen. Eine Stunde bearbeitete sie Nabous Afro mit Bürste und Palmöl. Dann war Mittagspause. Das dünne Mädchen stellte im Hinterhof eine riesige Schüssel mit Reis und gedünstetem Gemüse auf den Boden. Binta forderte Nabou auf, mit ihnen Platz zu nehmen. Im Kreis saßen sie um die Schüssel herum und aßen. Die Frisörin musterte Nabous Afro. „Ich sollte dir eine Glatthaar-Verlängerung machen“, sagte sie. „Du hast den richtigen Hautton, nicht so dunkel. Die Männer werden dich für eine Amerikanerin halten.“
Nabou zupfte an einer abstehenden Locke. „Zöpfe sind auch nicht schlecht.“
Die Frisörin lachte. „Hast du schon mal ein Model mit Zöpfen gesehen? Die Mode sagt glatt.“
Das dünne Mädchen brachte die Schüssel weg und Nabou nahm wieder auf dem Stuhl Platz. Mit einem Kamm teilte Binta den Afro in sechs Reihen. Dann flocht sie die Reihen zu Strängen fest am Kopf an. Aus einer Plastiktüte zog die Frisörin ein Bündel glänzendes Kunsthaar. Mit Nadel und Faden nähte sie die Strähnen an den einzelnen Strängen an, Reihe für Reihe.
„Schau nicht so“, lachte Binta. „Du wirst dich dran gewöhnen.“
Vier Stunden später verließ Nabou das Frisörgeschäft. Das lange, glatte Haar fiel ihr wie ein Vorhang auf die Schultern. In der Ladenscheibe betrachtete Nabou ihr neues Spiegelbild. Ihr Afro war verschwunden. Sie drehte sich um und marschierte zurück in den Laden.
© Ada Diagne 2021-07-21