„Friedrich“, Konrad kam auf mich zugelaufen. Er hatte tiefe Augenringe unter seinen Augen und seine Hakennase war tomatenrot. Er umarmte mich leicht. „Du hast es schon mitbekommen? Mit Peter?“ Ich unterbrach ihm mit einem leeren Nicken. Zerknirscht sah er zu Boden, wahrscheinlich musste er selbst darum kämpfen, nicht in Tränen auszubrechen. „Und Karl“, fügte er hinzu und schluckte hart. Ich nickte erschüttert. „Und Jakob?“, fragte ich. „Schon zuhause. Alle wurden nach Hause geschickt, wenn sie können“, erklärte Konrad und fing an, den Gang zwischen den Betten durchzulaufen, bis wir vor meinem standen. Daneben Peters Bett. Es bildete sich ein großer Kloß in meinem Hals, doch es rann keine Träne mehr über meine Wange. Meine Tränen waren leer. Ich war leer. Ich ertrug es nicht mehr, den Blick auf seinem Bett zu haben. Es tat so sehr weh, an Peter zu denken. Ich konnte nicht hierbleiben, entschloss ich leise.
Der nächste Zug ging um sechs Uhr dreißig. Im frühen Morgengrauen packte ich meine Sachen. „Schreiben wir uns?“, fragte Konrad betrübt. „Ja“, erwiderte ich und nickte. „Lebwohl“, verabschiedete er sich von mir. „Lebwohl Konrad“, erwiderte ich und schloss die Tür. Die Luft war frisch, als ich den Weg vom Lager zum Dorf ein letztes Mal lief. Ich ging an Camilles Haus vorbei, ich hatte ihr einen Brief geschrieben, darüber, was für ein toller Mensch Peter war, dass er sie aus vollem Herzen geliebt hatte und alles dafür gegeben hätte und hat, um bei ihr und dem Kind zu sein. Ich versprach ihr, sie irgendwann besuchen zu kommen, um das Kind zu sehen. Am schwersten fiel es mir, als ich vor Adelines Haus stand. Ich würde sie vermissen, dachte ich mir und ging auf dem Weg zum Bahnhof noch einmal all unsere schönsten Erinnerungen durch. Eine einzelne Blüte Vergissmeinnicht hatte ich mir gepflückt und zwischen Buchseiten gelegt, damit sie trocknete und ich sie für immer als Erinnerungsstück an Adeline hatte. Vielleicht sah ich sie irgendwann wieder, vielleicht wenn der Schmerz, an meinen besten Freund zu denken, nicht mehr ganz so qualvoll ist.
Diese Ausgabe des Buches enthält nur Fragmente der eigentlichen Geschichte.
© Johanna Maurus 2024-03-08