Blöd gelaufen!

Yasmin Lohberg

by Yasmin Lohberg

Story
Vienna

Ich muss zugeben, ich bin ein tolpatschiger Mensch oder nennt man es einfach schusselig? Dazu kommt noch, dass ich Linkshänderin bin und mir somit manches noch mehr erschwert wird. Naja, aufjedenfall wollte ich meiner älteren Nachbarin eine Freude machen und mich bei ihr bedanken. Ich kam zu dem Entschluss, dass ich ihr eine kleine Aufmerksamkeit in den Briefkasten lege, das freut sie bestimmt. Doch die neuen Brieffachanlagen sind so beschaffen, dass der Briefschlitz gerade mal eine Einwurfhöhe von 30 mm hat, also ziemlich schmal. Ich ging mit meiner kleinen Aufmerksamkeit schnell ins Freie, damit ich von außen an den Briefkasten rankomme. Ich sah mich um, damit mich niemand sieht, da es ja nicht mein eigener Briefkasten ist. Niemand da und so schob ich rasch mein kleines Geschenk durch den Briefschlitz in den Briefkasten meiner Nachbarin. „Prima, schnell weg!“ Doch mir kam der Gedanke, das Geschenk nicht weit genug in die Mitte vom Briefkasten geschoben zu haben, es könnte vielleicht jemand nehmen. So schob ich meine Hand nochmal durch den Schlitz um nachzuschieben. Plötzlich konnte ich meine Hand nicht mehr zurückziehen, ich steckte fest! Mein Ring am Finger blockierte, er war im Weg. Mir wurde heiß, obwohl es saukalt war und ich keine Jacke anhatte. Ich probierte mich von meinem Ring zu befreien, es gelang mir aber nicht. „Verdammt wie peinlich! Was ist, wenn mich jemand sieht? Ich muss hier sofort weg!“ Da kam auch schon ein Hausbewohner und sah mich am Briefkasten hängen. Ich grüßte ihn freundlich. Natürlich musste er nachfragen, was ich denn da mache. Ich erklärte ihm die Situation, dass dies nicht mein eigener Briefkasten sei und ich nur etwas bei jemanden reinlegen wollte. „Auch das noch, nicht der eigene? Sie wollten aber nicht gerade die Post von anderen stehlen?“, grinste er schelmisch. „Hallo, sehe ich so aus, ich habe es Ihnen doch erklärt? Können Sie mir bitte helfen, läuten Sie bei meiner Nachbarin, ich brauche ihren Briefkastenschlüssel!“ Er läutete an und meine Nachbarin kam sofort vor die Haustür. Sie lachte und sagte: „Warum hast du nicht angeläutet, ich war ja zu Hause?“ „Weil ich dich im Briefkasten überraschen wollte!“ „Ja, das ist Dir gelungen Yasmin!“

Meine Nachbarin sperrte von innen den Briefkasten auf, was eigentlich gar nichts brachte. Sie versuchte mir den Ring vom Finger zu ziehen, was aber auch nicht funktionierte. Dann holte sie aus ihrer Wohnung ein Seifenschüsserl mit lauwarmen Wasser und stellte es in den Briefkasten unter meine Hand. Ich badete sie darin. In der Zwischenzeit kamen ein dutzend Hausbewohner vorbei und lachten. „Schrecklich, was denken die sich blos von mir?“ Endlich, ich war befreit! Der Ring glitt von meinem Finger als meine Nachbarin daran zog! Ich war erleichtert und nahm sie in den Arm.

Die nächsten Tage werde ich unterirdisch gehen oder nur mehr Nachts das Haus verlassen mit Maske und Käppi, denn peinlicher und schlimmer geht’s wohl nicht mehr!

© Yasmin Lohberg 2021-11-13

Genres
Humor & Satire
Moods
Abenteuerlich, Herausfordernd, Komisch, Hoffnungsvoll
Hashtags