Blümchensex.

Stephanie Haeger

by Stephanie Haeger

Story
Rosengarten

Ganz schön geil, sein Stängel. Dick und hart – man sieht eindeutig: Der steht voll im Saft. Und die Mähne erst. Einmalig. Gelb und voll. So ein unfassbar wilder Löwenzahn! Ich wette, der hat schon vielen Mauerblümchen das Herz gebrochen. Schon klar, so ein Löwenzahn ist nicht leicht zu halten. Wenn ihre Blütezeit vorbei ist, dann sind sie wie die Fähnchen im Wind. Irgendwann wird die Mähne grau, bald darauf weht es ihnen den Rest vom Kopf und dann machen sie sich vom Acker. Mit Langzeitbeziehung ist da nichts. Pusteblume! Aber für einen Sommerflirt ist so ein Löwenzahn für eine stolze Rose wie mich genau das Richtige. Ich mag ja die Wilden besonders gern. Auch wenn man das nicht glauben würde. Die sind so frei, schlagen einfach da ihre Wurzeln, wo es sie hin verschlägt. Eine Zierde wie ich benötigt eindeutig zu viel Pflege, um so mir nichts, dir nichts in der Weltgeschichte herumzutingeln. Mein Nachbar, ein Apfelbaum und eine echte lokale Größe, ist da ähnlich. Wir wollen lieber da bleiben, wo wir uns auskennen und wo man sich um uns kümmert. Uns reicht es, wenn die Zugvögel uns besuchen kommen und Geschichten aus der wilden Welt erzählen. Der Löwenzahn ist ein ebenso netter Zeitvertreib. Dem würde ich gerne mal die goldgelben Blüten zerrupfen. Wahrscheinlich wird der sich sogar durch meine klare Linie angestachelt fühlen. Und bei dem dicken Stempel … ach, diese Wald- und Wiesentypen machen mich wirklich an. In den Jahren, in denen ich schon auf den Acker gegenüber schaue, hab ich ja so manches erlebt. Im vergangenen Sommer gab es einen Spitzwegerich. Eigentlich ein unauffälliger Typ, aber gerade so eine Liaison kann ja auch ganz heilsam sein. Ein Spießer vor dem Herrn, das kann ich Ihnen sagen. Aber seine schlichte und unkomplizierte Art hat so einige Wunden der Vergangenheit heilen lassen. Natürlich ist nicht jeden Sommer etwas Interessantes dabei. Eine wahre Plage war es, als die gesamte Nachbarschaft von Ferkelkraut im wahrsten Sinne des Wortes überwuchert wurde. Überall waren die, wie Unkraut sind sie aus dem Boden geschossen. Zäh und übel riechend. Und aufdringlich! Was ich nie vergessen werde, ist der Sommer, in dem das ganze Feld voller Klatschmohn stand. Die waren wild und frei und irgendwie immer ein bisschen drauf. Wenn Sie mich fragen: Hippies. Aber es war schön, ihnen von der anderen Seite des Gartenzauns zuzusehen. Mit Johanniskraut habe ich mal überwintert. Der war nicht so ein Luftikus wie der Löwenzahn. Sein Stängel war prall und lang bis runter zum Schaft. Alles andere als hohl, der Typ. Allerdings musste man sich vor ihm in Acht nehmen. Er konnte ganz schön giftig werden. Mit einem Huflattich habe ich ein Frühjahr lang sehr viel Zeit verbracht. Ein tiefgründiger Typ. Noch heute wohnt er gegenüber. Er ist wie mein Nachbar ein Typ mit starken Wurzeln und hat sich in der Nähe eines Flusses niedergelassen, wo er ein ruhiges und abgeschiedenes Leben führt. Er kann zu Weilen sehr bitter sein. Ist aber im Grunde ein naturverbundener und ruhiger Geselle. Wenn Sie mich fragen, dann hat jede Liaison ihr Gutes. Und so wie wir alle an unseren Herausforderungen wachsen, so erblüht auch jede Liebe anders. Und auch wenn die ein oder andere vor ihrer Zeit verdorrt: Auf jeden Winter folgt der Frühling. Das ist ein unaufhaltsames Naturgesetz.

© Stephanie Haeger 2023-08-05

Genres
Humor & Satire
Moods
Komisch, Lighthearted