Blut ist nicht dicker als Wasser.

Es gibt ein altes Sprichwort: “Blut ist dicker als Wasser”. Diese Redewendung soll uns vermitteln, dass die Bindung der Familie, die durch das Blut miteinander verbunden ist, stärker und bedeutender ist als alle anderen Beziehungen. Doch ist das wirklich so?
Ich habe gegenteilige Erfahrungen gemacht und vermutlich auch viele andere Menschen, denen bewiesen wurde, dass Blut NICHT dicker als Wasser sein muss. Die geknüpften Verbindungen, die ich Laufe meines Lebens außerhalb meiner biologischen Familie gemacht haben, sind ebenso tief, bedeutend und verbindend. Ich möchte behaupten, dass einige Bindungen manchmal sogar viel bedeutsamer als jene der Blutsverwandten sind.

In meinem Leben habe ich gelernt, dass die Menschen, die ich als Familie bezeichne, nicht unbedingt die sind, mit denen ich wirklich genetisch verwandt bin. Und ich mache mir oft Gedanken darüber, ob ich überhaupt offen denken oder es gar aussprechen darf, dass einige biologische Mitglieder meiner Familie, für mich persönlich nicht mehr zu meiner bewusst ausgewählten Familie gehören. Ist es erlaubt so über Blutsverwandte zu denken?
Ich bin zu dem Schluss gekommen: JA, ich darf das, denn sie sind nicht, oder nicht mehr für mich da und es besteht schlichtweg keine Bindung zu diesen Menschen.

Sehen wir uns doch in der heutigen Welt um. Patchwork-Familien gehören fast schon zur Normalität und völlig Fremde werden zu Freunden und ebendann zur selbsternannten Familie. Es wird mir immer deutlicher, dass Familie nicht nur durch Blutsverwandtschaft definiert werden muss. Aus meiner persönlichen Erfahrung hat sich mir bewiesen, dass Freunde und meine große Patchwork-Familie eine Rolle übernehmen, die traditionell eigentlich der rein biologischen Familie “zustehen” würde. Doch genau diese NICHT blutsverwandten Beziehungen, finden ihre Basis auf gemeinsamen Erlebnissen, geteilten innerlichen Werten und gegenseitiger Unterstützung.

Natürlich gibt es auch viele schöne Beispiele für Familienbande, die stark und unterstützend sind. Doch die Vorstellung, dass nur Blutbindungen von Bedeutung sein soll, möchte ich nicht akzeptieren. Viele der Menschen, die ich in mein Leben gelassen habe, haben mir das Gegenteil gezeigt, dass nämlich wahre Bindung und Unterstützung überall gefunden werden kann. Eben dort wo Menschen sich bemühen, einander zu verstehen, zu akzeptieren und auch zu lieben.

Schlussendlich ist es die Qualität und Tiefe der Beziehung, die für mich zählt, nicht die biologische Verbindung. Menschen, die in schwierigen Zeiten für mich da sind, mich akzeptieren, wie ich bin und unterstützen, verdienen die Bezeichnung „Familie“, unabhängig davon, ob wir durch Blut verbunden sind oder nicht.
In der heutigen Zeit ist es wichtig, diese tiefen, unterstützenden Verbindungen zu erkennen und zu schätzen, egal woher sie kommen. Letztendlich ist es die Liebe, die die wahre Bedeutung einer Familie ausmacht, diese Liebe kann überall gefunden werden, genau da wo Menschen sich wirklich umeinander kümmern.