by Gudrun
Grelle, heiße Wut steigt in ihm hoch. Wie oft hat er es ihr schon gesagt? Er will nicht, dass sie diesen Dreck liest. Liebesschnulzen! Das Buch liegt auf dem Küchentisch. Wie kann sie es WAGEN? “Sue? Suey komm her, ich muss mit dir reden – aus der Nähe!” Da kommt sie angeschlichen, geduckt, den Kopf gesenkt, verängstigt. Ja sie tut gut daran, verängstigt zu sein, wenn er mit ihr reden will – aus der Nähe! Ansatzlos fliegt seine Faust vor, bricht ihr die Nase. Ein roter Strom fließt ihr aus der Nase. Sie gibt keinen Laut von sich, aus gutem Grund. Er hasst es, wenn sie heult oder schreit. Das facht seine Wut nur noch mehr an. “Hab ich’s dir nicht gesagt? Hab ich’s dir nicht gesagt? Ich will nicht, dass du diesen Schund liest! Hast du keine Arbeit? Du sollst putzen, waschen, kochen, bügeln, was immer eine Frau zu tun hat. Du verschwendest Zeit. Du weißt, ich hasse es, wenn du Zeit verschwendest. Ich geh arbeiten! Ich sorge für dich! Du musst nur das tun, was ich will, verschwende keine Zeit! Arbeite!” Er erwartet keine Antwort, im Gegenteil. Sollte sie es wagen, würde alles noch viel schlimmer. Sie hat genug Erfahrungen gemacht, in den letzten 5 Jahren. Er schlägt noch einmal zu, und tritt ihr mit voller Wucht in den Bauch. Sie sinkt zu Boden. Versucht, zu atmen, durch den Schmerz. Versucht noch immer, keinen Laut von sich zu geben. Holt mühsam Luft, flüstert fast lautlos, “das Baby”, dann verstummt sie wieder. “Ach das, sagt er wegwerfend, wenn du’s verlierst mach ich dir ein Neues.” Aber etwas ist doch zu ihm durchgedrungen, durch seinen roten Nebel. Sie wird nicht die Polizei rufen, er ist die Polizei. Das ist es nicht, aber wenn sie….. Dann muss die zum Arzt. Er nimmt das Telefon, beobachtet sie, sieht wie Blüten aus Blut auf ihrer weißen Hose erblühen. Er ruft den Notarzt. Erzählt, seine Frau sei die Treppe herabgestürzt. Sie sei schwanger, er habe Angst um das Baby. “Machen sie schnell”, sagt er, legt auf, wendet sich Sue zu. “Du hast’s gehört”, sagt er. “Mach keine Dummheiten. Sonst muss ich mit dir reden – aus der Nähe.” Dann macht er sich dran, den “Unfallort” herzurichten. Er weiß, worauf es ankommt. Wenn er klar ist, im Kopf, ist er ein sehr guter Detective. Einer der Besten des Reviers, und beliebt, zumindest bei seinen Kollegen. Vor einiger Zeit hatte er dienstlich mit einer kleinen farbigen Schlampe zu tun, die sich geweigert hat, ihm die Wahrheit über ihren Dealer zu erzählen. Da hat er mit ihr ein Gespräch geführt – aus der Nähe. Er erinnert sich nicht mehr so genau. Am nächsten Tag hatte er Schmerzen im Gebiss und im Kiefer, wie ein Megamuskelkater. Er hat mit ihr geredet – ganz aus der Nähe. Und er hat zugebissen. Er beißt gern. Er mag den kupfrigen Geschmack des Blutes, und die Panik in den Augen seiner Opfer. Die Schlampe hat geheult und gewinselt und das hat ihn nur noch mehr angetörnt. Man fand sie drei Tage später im Fluss, und er hatte für lange Zeit nicht mehr das Bedürfnis zubeißen zu müssen. Anfangs hatte er das auch mit Sue gemacht, aber nachdem sich eine Bisswunde entzündet hatte, hat er sich zurückgehalten. Es wäre schwierig eine solche Verletzung zu erklären, er hat sich Sue’s Rücken zugewandt, diese Verletzungen sind nicht sichtbar. Nur manchmal, wenn diese rote Wut aufsteigt, kann er sich nicht mehr kontrollieren. Sein Gehirn verabschiedet sich mit Warpgeschwindigkeit in’s Universum. Volle Kraft voraus, Mr. Sulu. Dann bleibt meist nur noch eine verschwommene Erinnerung übrig.
© nenegudrun 2023-08-19