BRANDUR – EIN PERFEKTES SCHAUSPIEL

ISLAND, REYKJAVIK

Streit, Lärm, Menschengeschrei, etwas zerbricht und klirrt an der Wand. Ich wache auf. Sie streiten sich wieder. Glauben, ich höre es nicht, nur weil sie sich einen Stock unter mir befinden. Ich ziehe die Decke über meinen Kopf. Ich will einfach nur, dass es aufhört. Ich will Ruhe, ich will Stille, ich will, dass es endlich leise ist. Seit Monaten streiten sie sich und wenn wir bei Freunden eingeladen sind oder Gäste haben, sind sie das perfekte Paar. Händchenhaltend, euphorisch, hoffnungsvoll. Ich bin die Lügen meiner Eltern so satt. Ich bin diese Scharade so satt. Das Schauspiel, das Theaterstück, welches wir mehrmals die Woche vortragen, welches wir bis zur Perfektion einstudiert haben, die grinsenden Masken, die wir uns aufsetzen, das falsche Lachen, welches erklingt. Ich setze mich im Bett auf und starre aus dem Fenster.

Ich sehe im Garten und auf den Dächern der Nachbarhäuser den schmelzenden Schnee. Ist das ein Anfang oder ein Ende? Verabschieden wir den Winter oder begrüßen wir den Frühling? Was verbirgt sich unter dieser dicken weißen Decke? Nein darunter kommen keine bunten Blumen zum Vorschein. Keine Krokusse, Schneeglöckchen oder Märzenbecher. Darunter befindet sich nur der Dreck. Der Dreck, den die Menschen aufhäufen, unter der Schneeschicht verstecken und viel zu groß werden lassen. Sie glauben, dass es dadurch besser wird, dass sie sich selbst helfen und dass es einfacher ist alle Probleme, Lügen, Schwierigkeiten unter die dicke Schneeschicht zu kehren, sie dort zu verstecken, damit sie dort den ganzen Winter verbringen. Aus Hoffnung sie würden darunter erfrieren. Dass sie im Frühjahr in den Garten gehen und ein Meer aus Blumen auf sie wartet, alles Unangenehme verschwunden ist und sie wieder sorglos sein können. Sie hoffen, dass ihre Probleme einfach gemeinsam mit dem Schnee schmelzen, doch wenn alles Weiße von den Straßen verschwunden ist, bleibt der Schlamm zurück, der Dreck, in den du steigst und indem du dir die Füße schmutzig machst und in dem du schließlich versinkst.

Ich versuche stark zu sein, alles zu verarbeiten, mitzuspielen und mich nicht dabei zu verlieren. Ich versuche es jeden Tag. Doch wenn ich es einmal nicht schaffe, dann schließe ich meine Augen und träume von Wahrhaftigkeit.