Mein Kind fragt mich derzeit recht oft, wie es war, als ich so alt war wie sie. Es gibt ein paar Dinge, von denen ich ihr da immer und immer wieder erzähle. Von Vierteltelefonen. Vom Fernsehen, das nur einmal pro Woche eine Folge Heidi ausspuckte. Vom Auto, in dem ich nicht angeschnallt war, sondern in dem ich herumklettern durfte. Bei solchen Geschichten lacht meine Tochter. Und ich denke: schön war die Zeit.
Woran ich mich auch noch erinnere, erzähle ich nicht. Da war zum Beispiel die Besetzung der Hainburger Au. ein Da gab es autofreie Tage – unserer war, glaube ich, Mittwoch. Da weinte ich furchtbare Tränen, wenn meine Mama den GeschirrspĂĽler aufdrehte – meine Volksschullehrerin hatte nämlich erklärt, dass das nicht so gut sei.
Ich weiß auch noch, dass ich eines Abends schrie, als mein Bruder mir ein Gutenachbussi geben wollte. „Davon kriegt man Aids“, habe ich angstvoll gebrüllt.
Eine Handvoll Momente, an die man sich später erinnert. Sie stehen symbolisch für das Denken, für die Ängste von damals. Das Bussi des Bruders. Ein Aufschrei in der Küche.
Heute Früh habe ich einen Moment erlebt, der mir derart symbolisch erschien. Ich stand gerade unter der Dusche, das Wasser prasselte mir auf den Kopf. Mein Blick pendelte zwischen zwei Shampoos hin und her. Banane und Shea Butter. Auf dem einen steht „care“, auf dem anderen „repair“.
Pflegen. Reparieren. Plötzlich schien es mir, als meinten diese Worte etwas ganz GroĂźes. Die die Zeit bis vor Kurzem – und die Zeit, die jetzt ist. Beziehungen, Wirtschaft, die Seele, die Welt: mir war immer wichtig, das alles zu pflegen. Heute kam es mir vor, dass „reparieren“ besser passt. Dieser Moment, dieses Wort fuhr mir tief in die Glieder.
Ich habe länger geduscht als ich wollte und sollte. Habe auf die Duschwand gestarrt und darüber nachgedacht, ob mir mein Shea-Shampoo vielleicht irgendetwas über das Reparieren verraten könnte. Wie es geht. Was es dafür wirklich braucht. Und inwiefern es sich vom reinen Pflegen unterscheidet. Ich wünschte, ich könnte es wissen.
Noch habe ich keine Antwort bekommen. Vielleicht ist das alles ja auch nur ein Marketing-Trick. Aber sollte ich später, vielleicht per Zufallsgenerator, als Zeitzeugin für das Jahr 2023 ausgewählt und gefragt werden „Wie war das damals wirklich?“, werde ich, so denke ich mir, die Geschichte von heute erzählen.
© Barbara Pachl-Eberhart 2023-08-18