Brief an meine Eltern

Ihr seid das Wichtigste in meinem Leben. Und vielleicht liegt da sogar der Ursprung meines Konflikts. 

Jetzt gibt es da noch jemanden, der auch das Wichtigste in meinem Leben geworden ist. Trotzdem gibt es euch bzw. uns als Familie einfach schon viel länger und an meine eigene kleine Familie muss ich mich (noch immer) erst gewöhnen. Und nicht nur daran, sondern auch an die Tatsache, die Rolle zu wechseln: ich bin nicht mehr nur Tochter und Schwester (was ich so gerne bin), sondern jetzt auch Mutter und Partnerin mit viel Verantwortung.

Ich hätte nie gedacht, wie sehr diese Verantwortung auf meinen Schultern drückt. Sie ist wunderschön, aber auch neu. Ich werde mich ganz sicher noch daran gewöhnen. Es wird ja schon jetzt jeden Tag leichter. Und mit euch sowieso – wenn ich dann endlich eure Hilfe besser annehmen kann… Immerhin muss ich euch in euren neuen Rollen als Großeltern auch noch akzeptieren lernen.

Ich liebe mein Baby, und ich liebe euch! Und: ich liebe die Tatsache, dass unsere Familie immer größer wird.

Aber dieser Übergang hat es in sich. Es ist, als würde ich an zwei Orten gleichzeitig leben. In der Vertrautheit meiner Herkunft – wo ich mich sicher, getragen und gesehen fühle – und im neuen Alltag, wo ich plötzlich nicht mehr nur Kind bin, sondern diejenige, die anderen Sicherheit geben muss.

Manchmal sehne ich mich nach der Leichtigkeit zurück, die ich als Tochter hatte. Nach dem Gefühl, dass jemand anderes schon wissen wird, was zu tun ist. Jetzt bin ich selbst dieser jemand. Ich bin verantwortlich. Für alles – für den Schlaf, das Stillen, das richtige Maß an Nähe und Raum, für die Stimmungen in unserem neuen Zuhause.

Und das geht. Es geht wirklich. Aber nur, weil ich auf etwas bauen kann. Auf das, was ihr mir mitgegeben habt. Eure Liebe, euer Vertrauen, euer Vorbild.

Es tut gut zu wissen, dass ihr da seid, ohne euch aufzudrängen. Dass ihr eure Sorge zeigen könnt, ohne sie mir aufzubürden.

Ich wünsche mir, dass wir nie vergessen, wie verbunden wir sind – auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, auch wenn wir uns manchmal fremd vorkommen in unseren neuen Funktionen. Ich glaube, genau dann zeigt sich Familie.