by Tina Regber
Wir sitzen an der Haltestelle Zum glücklichen Postkutscher und warten auf unsere Bahn zurück nach Hause. Ich höre Musik. Dabei wippe ich mit den Füßen im Takt. Bis Alex plötzlich laut neben mir flucht.
„Was hat dir dein Handy denn getan?“ Er starrt auf den Bildschirm. „Die haben gesagt, meine Bestellung kommt in drei Tagen an. Jetzt hab ich eine E-Mail bekommen, dass es sich bis auf unbestimmte Zeit verzögern kann.“
Er schaut auf die Haltestellen-Anzeige und schnaubt. „Es sollte Zum unpünktlichen DHL-Lieferanten heißen. Viel realistischer.“
Grinsend schüttle ich den Kopf. Alex steckt sein Handy in die Hosentasche. „Wenn das so weitergeht, hole ich mir eine Brieftaube. Vielleicht kommt dann alles pünktlicher an.“
„An und für sich ein netter Gedanke, aber du weißt schon, wie Brieftauben funktionieren, oder?“ Alex nickt. „Klar. Du bindest ihr einen Brief ans Bein und sagst ihr, wo sie hinfliegen soll und dann schickst du sie los.“ Ich lache. „So funktioniert vielleicht Hedwig, aber Brieftauben leider nicht. Also das mit dem Brief am Bein schon. Aber sie fliegen immer zu ihrem Taubenschlag zurück. Du bräuchtest also für verschiedene Absender verschiedene Tauben, die dir dann Post schicken können. Du könntest auf dem Weg aber nicht antworten.“
Alex denkt einen Moment nach. „Verstehe. Das macht die Sache natürlich komplizierter. Aber bestimmt noch schneller als die Deutsche Post.“ In dem Moment verkündet eine Ansage, dass unsere Bahn voraussichtlich zwanzig Minuten später fahren wird. „Als die Deutsche Bahn sowieso“, fügt Alex resigniert hinzu.
„Das kann schon sein. Aber wenn deine Brieftaube unterwegs auf Straßentauben trifft, bleibt sie vielleicht lieber dort. Und deine Bestellung würde mit einer Taube auch nicht ankommen.“
„Warum nicht?“, fragt Alex. „Weil du eine Matratze bestellt hast! Was glaubst du, wie viel so ein kleiner Vogel tragen kann?!“ Ich bin ich fasziniert von Alex‘ Gehirn, das so viel weiß und so einfache Konzepte nicht bedenkt.
„Und was machst du, wenn du etwas übers Meer verschicken möchtest?“
„Da lasse ich mir die Post einfach mit einem Tintenfisch liefern.“ Ich lache ungläubig. „Ja, genau. Der schreibt dir bestimmt zurück. Mit seiner eigenen Tinte.“ Alex schiebt seine Unterlippe vor. „Warum denn nicht? Tintenfische sind immerhin die intelligentesten Weichtiere. Außerdem wurde Tinte von Tintenfischen so um die hundert Jahre vor Christus wirklich zum Schreiben verwendet.“
Das wusste ich nicht. Wundert mich aber auch nicht. „Das ist Ausbeutung von Tintenfischen. Genauso schlecht wie Massentierhaltung, Pelzfarmen und Qualzuchten.“
„Die Tintenfische müssten selbstverständlich ihre Zustimmung geben und ich müsste sie gerecht bezahlen. Und Urlaub geben und so. Selbst dann stehen die Chancen wohl nicht so gut, dass es ankommt.“ Kurze Stille.
„Ich habe übrigens mal ein Video von einem malenden Elefanten gesehen.“ Der Themenwechsel ist unerwartet. „Echt?“ Alex nickt und zeigt mir das Video auf seinem Handy. Da steht ein Elefant, der einen Pinsel im Rüssel hält und auf einer Leinwand malt. „Elefanten sind echt intelligente Tiere. Denkst du, wir sollten uns einen anschaffen, der unsere Wohnung streicht? Zu fairen Konditionen versteht sich.“ Alex lacht laut. „Könnte eng werden“, gibt er zu bedenken, „aber wäre auf jeden Fall praktisch.“
Mit dreißig Minuten Verspätung kommt unsere Bahn und wir steigen ein. „Siehst du, Alex, es gibt noch Hoffnung für deine Matratze.“
© Tina Regber 2024-08-14