1490 schaltet sich Giovanni Caboto in den englischen Handel mit Island ein. Dem Genueser Granden spielt das Kartenglück einen portugiesischen Staatsschatz in die Hände, die Seekarte des João Vaz Corte-Real, dem ersten portugiesischen Statthalter auf den Azoren. Der Ritter hatte vor dem Jahr 1450 Neufundland erreicht. Manche nennen ihn den Entdecker der Terra do bacalhau, einer nach dem Stockfisch benannten Phantominsel, die in Erzählungen des 15. und 16. Jahrhunderts Gestalt annimmt. Den Kern der Sage lokalisieren Historiker auf einer nordatlantischen Insel, die heute zur kanadischen Provinz Nova Scotia gehört. Im frühen 16. Jahrhundert bezeichnen Kartografen sämtliche Inseln des Lorenzstroms als „das Land der Cortereals“ (João Vaz Corte-Real folgen drei Söhne auf See, der berühmteste ist Sebastian Cabot) oder Bacalhau-Eilande. Französische Fischer geben den Zuschreibungen mit Île du Cap-Breton eine andere Richtung.
1497 landet Coboto an der Küste Neufundlands und nimmt die tundrische Natur für Heinrich VII. als Terra de Prima Vista in Besitz. Der englische König wähnt sich von den Spaniern und Portugiesen bereits abgehängt. Die Unternehmung wird von Spanien mit Bezug auf die päpstliche Weltteilung von 1494 als Eingriff in fremde Hoheitsrechte gerügt.
Sebastian Cabot segelt auf der ersten Neufundlandfahrt des Vaters mit. Er wechselt in spanische Dienste und wieder zurück unter Heinrich VIII. Zu seiner Zeit als Kapitän unterscheidet man zwischen Kanada, Neu-Wales und Labrador. Nach Cabots Tod nennt man alles zusammen (eine Weile) Cabotia.
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In der ersten Morgenstunde des 24. Dezembers 1492, einem Montag, schiebt eine Strömung die Santa Maria auf eine Sandbank im Rio de los Mares. Der Steuermann hat einem Schiffsjungen das Flaggschiff des Westindienfahrers Kolumbus überlassen. Der Junge ruft erst um Hilfe, als das Ruder aus den Angeln fährt und Wasser gegen die widrig stehende Karavelle aufkocht. Kolumbus erscheint an Deck. Er befiehlt, einen Anker weit hinter das Schiff zu werfen, um es im Anzug flott zu kriegen. Das Manöver misslingt. Schon sitzt der Kiel fest im Sand, das Schiff geht sofort aus den Fugen. Der Strom trifft mit voller Breite eine Längsseite. Die Santa Maria krängt in ihr Verderben.
Das Unglück vollzieht sich als Schauspiel für die Untertanen des Kaziken Guacanagari. Der Herrscher ordnet die Bergung des Wracks und seines Inventars an. Die Untertanen nehmen Dinge in die Hände oder sehen sie hochgestapelt, die für sie von unschätzbarem Wert sind. Sie ziehen nichts an sich: ein für die stinkenden, seelisch verrotteten und von Skorbut entstellten Fernfahrer unfassbares Verhalten.
„Die Dörfer und Häuser auf Hispaniola (heute Haiti) sind niedlich und jeder Ortschaft steht ein kleiner Kazike vor, dem sie (die Bevölkerung) vollkommen gehorcht. Alle Gebieter reden wenig. Oft befehlen sie nur mit einem Wink, und ich (Kolumbus) musste schon staunen, da ich sah, wie sie augenblicklich verstanden wurden.“
Der Steuermann und das Kind werden nach dem Rechtsgefühl der Epoche in Ketten zur Rechenschaft gezogen. Sie überstehen ihre Bestrafung nicht.
© Jamal Tuschick 2025-01-29