Cimitero di San Michele

Gabriele Koubek

by Gabriele Koubek

Story

Von Murano fahren wir mit dem Vaporetto nach San Michele.

Auf dieser fast rechteckigen Insel befindet sich der Friedhof von Venedig. Er ist mit einer gewaltigen roten Backsteinmauer umgeben.

Durch ein gotisches Tor betreten wir diesen speziellen Ort.

Die Geschichte des Friedhofs beginnt im Jahre 1804. Damals kam es zu einem Wendepunkt im Umgang mit den Toten. Sie wurden nicht mehr neben den Kirchen begraben, sondern abseits davon.

Kaiser Napoleon I hat bestimmt, dass die kaum besiedelte Insel San Cristoforo, der zentrale Friedhof für Venedig wurde.

Wegen Platzmangels verband man 1837 durch Aufschüttungen die Insel San Cristofero mit der Insel San Michele und so entstand die angeblich exklusivste und schönste Ruhestätte der Welt.

Platzmangel gibt es auch heute noch. Derzeit endet die Ruhezeit für eine Grabstelle meist nach rund zehn Jahren. Nur wenige können sich Familiengrabstellen mit hundertjähriger Ruhezeit leisten.

Heute lassen sich vor allem gut situierte Venezianer, die sich den Luxus leisten können, auf San Michele bestatten.

Die Insel ist auch die letzte Ruhestätte für bekannte Kaufleute und Diplomaten sowie Künstler, Komponisten und Schriftsteller. Zum Beispiel haben hier Igor Stravinsky und seine Frau ihr Grab.

Aber es geht uns nicht um die Gräber prominenter Menschen, sondern um die friedliche Stimmung und das einmalige Ambiente.

Viele Grabstätten sind gepflegt und mit Blumen geschmückt, manche sind verwahrlost und verlassen. Die Inschriften und die ausgeblichenen Fotos erzählen von Schicksalen und berichten Geschichten aus längst vergangener Zeit.

Zerbrochene Grabplatten und umgefallene Grabsteine wechseln sich ab mit Scharen von Engeln aus weißem Marmor. Es gibt einen eigenen Bereich mit Kindergräber, an dem wir leise vorbeigehen, um ihre Ruhe nicht zu stören.

Ein anderer Bereich ist Ausländern vorbehalten, die in Venedig verstarben oder hier beerdigt werden wollten. Im älteren Teil des Friedhofs gibt es abgegrenzte Abteilungen für verschiedene Konfessionen.

Wir besuchen auch das Kloster der Kamaldulenser mit seinem wunderschönen romanischen Kreuzgang. Angeblich leben hier noch einige Mönche, aber sonst ist die Insel unbelebt.

Am Abend verwandeln die unzähligen Grabkerzen die Insel in ein geheimnisvolles Lichtermeer. Wenn dann die knirschenden Schritte der Besucher verhallt sind, herrscht wieder ewiger Frieden.

© Gabriele Koubek 2022-02-18

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