Daheim auf 29m2

mezcolanza

by mezcolanza

Story

VertrĂ€umt spaziere ich die mir vertraute Straße entlang. An der albanischen BĂ€ckerei am Eck mache ich Halt. Das Maisbrot ist köstlich hier. Ich atme den Geruch von frisch gebackenem Burek ein. Schon als ich noch oberhalb der BĂ€ckerei gewohnt habe, hab ich den morgendlichen Duft von heißem BlĂ€tterteig in meiner Wohnung genossen. Wie gern wĂŒrde ich hochgehen und mich vor die sperrangelweit offenen Kastenfenster auf den Boden legen, um die Sonne einzuatmen. Ich vermisse sie; meine allererste, eigene Mietwohnung.

Zwei Jahre ist es her und noch immer erfĂŒllt mich ein GefĂŒhl des “Daheimseins”, wenn ich an die Wohnung denke. Ganze 29mÂČ durfte ich damals mein (gemietetes) Eigen nennen. Die ĂŒberschaubare FlĂ€che war mir lieb. Je kleiner der Platz, desto weniger braucht man.

Ich kann mich noch genau an die ersten Wochen erinnern. Ein Monat lang hab ich inmitten des Licht-durchfluteten Raums auf der Yogamatte im Schlafsack geschlafen. Dann hat mir mein Papa ein Bett angedreht. “Wenn Mama und ich auch mal in Wien schlafen, dann will ich morgens aus normaler Höhe aufstehen können”, hat Papa argumentiert, wĂ€hrend er den Bettrahmen zusammengeschustert hat.

Beim Kasten bin ich stur geblieben. “Ich will den einzigen Raum, den ich habe, nicht mit verschlossenen KĂ€sten zustellen. Ich will Licht und Luft und Freiheit”. (Beharrlich sein kann ich.) Mama hat Papa dann auf die Schulter geklopft. Es reiche ja auch ein Eisengestell mit HĂ€ngestange und AblageflĂ€che. Selbiges hab ich dann auch bekommen. SchrĂ€g vor meinem Bett platziert hat das Teil mitsamt meiner 20 KleidungsstĂŒcke den ganzen Raum geschmĂŒckt.

Die andere Raumseite war ganz „Ich“. Am Boden in der Ecke hat Papas alte Stereoanlage ihr Zuhause gefunden. Alte Zeitungscover, gratis Postkarten aus Wiener Beisln, Fotos von ersehnten Reisezielen und sonstige bunte Papierschnipsel zierten die Wand dahinter. Der alte Jeans-Sitzsack, den ich mit 12 zu Weihnachten bekommen habe, diente inmitten meiner Kunst zugleich als Essecke, als auch als Couch. Zwar besaß ich auch einen kleinen Ein-Frau-Tisch; dieser hat jedoch meist meine GrĂŒnpflanzen-Sammlung beheimatet, die mir beim Öffnen des Fensters sonst immer im Weg gewesen wĂ€re.

Dusche und Toilette waren in einem Miniaturquadrat vereint. Die schrÀg ins Eck montierte Toilette wurde von einem hölzernen 20x30cm Fenster erleuchtet. Wenn mir nach einer meiner latin dance nights nach einer Zigarette zumute war, hab ich mich auf den Klodeckel auf die Zehen gestellt, um aus dem Minifenster zu qualmen. Der Rauch hat gute 3 Tage in der Wohnung gehangen, bis er endlich passé war.

Ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Es war schließlich mein daheim.

Ich atme tief ein; entscheide mich fĂŒr einen Wecken Maisbrot und lasse die Nostalgie fĂŒr heute hier verweilen.

© mezcolanza 2022-08-08

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