das 11. Gebot

Andreas Pulker

by Andreas Pulker

Story

Als ich mich, an einem Samstag Abend im letzten FrĂĽhjahr, auf den Weg zu Freunden gemacht hatte – puuh – da hab ich mir nix dabei gedacht. Oft bin ich schon auf dieser Terrasse sĂĽdlich von Wien gelandet und diesmal war es notwendiger denn je. Mein Umzugs-Projekt hatte begonnen real zu werden und es war dabei sich in meinem Leben breit zu machen. Ein paar Stunden mit Freunden und das eine oder andere Bier: genau richtig. In der kleinen Runde waren bekannte Gesichter ABER da war auch ein Neues. Aha – dachte ich mir – wer bist denn du? Wuschelkopf mit blauen Augen – puuh – schnell hab ich ĂĽberzuckert das ich mein eingerostetes Englisch wieder mal herauskramen musste. Gottseidank hatte das Bier der gehemmten Zunge etwas Schwung gegeben – Ist schon wirklich deppert wovor man Angst haben kann, nur weil man glaubt sich zu blamieren.

Irgendwie waren auf einmal alle weg, nur der Wuschelkopf und ich saĂźen da. Sie gab mir ein paar SchnappschĂĽsse in Ihre Welt – mmmh – ein spannend schöner Mensch! … und eine heiĂźe Frau – welch eine schöne Ăśberraschung. Spät in der Nacht ist Sie ins Gästezimmer gehuscht und ich hab mich im Kinderzimmer breit gemacht, denn fahren durft ich nimma. Dankenswerterweise hatte der einjährige Besitzer bei seinen Eltern geschlafen. Am nächsten Tag bin ich wieder in meine Welt und mein Umzugs-Projekt verschwunden – der Wuschelkopf in Ihre Welt, nach Bucharesti. Unsere Welten waren so weit von einander entfernt und bestens geschĂĽtzt, von Grenzen die keiner braucht.

Es war Sommer geworden und ich war von meinem Umzugs-Projekts komplett beschlagnahmt. Aber wieder hatte ich das GlĂĽck ein paar Stunden aus dieser Welt zu entfliehen und ich hätte im Leben nicht dran gedacht, dass es wieder der Wuschelkopf sein wĂĽrde, der mich rausholt. Unsere zwei Welten waren zwar immer noch weit entfernt und Grenzen gab’s, nach wie vor genug aber irgendwie haben wir begonnen uns eine neue Welt zu erschaffen. Aus einem: “weil es SpaĂź macht”, “weil es reizvoll ist”, “weil es schön ist” – wurde irgendwie ein: “weil ich dich gerne wiedersehen wĂĽrde” – aus dem dann ein: “puhhh, was is das denn jetzt?”, “was kann denn das sein?”, “wie soll denn das gehn?” naja, seitdem steigen wir regelmäßig in Flieger und pendeln durch Europa, der Wuschelkopf ist meine Freundin …

Wir sind uns einig, keiner von uns hätte gedacht, dass sich unsere Welten fĂĽr länger verbinden wĂĽrden. Aber neben Welten, Grenzen und Distanz gibt es noch so einiges wo uns das 11. Gebot so richtig gscheid reingefahren ist …

Das 11. Gebot: “Du sollst dich nicht täuschen” – ist fĂĽr mich ein angenehm lästiger Begleiter geworden. Er zeigt mir immer wieder wie wir uns von unseren Erwartungen, Annahmen, Erfahrungen und Grenzen gefangen nehmen lassen. Der Wuschelkopf war diesmal mein Ausbruchshelfer, aber es war nicht das erste mal dass ich die Luft dieser Freiheit inhaliert hatte. Ich muss wohl immer wieder und wieder ausbrechen um irgendwann dann doch diese Freiheit als meine Wirklichkeit zu erkennen!

© Andreas Pulker 2019-05-01

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