by Sarah Parisi
Es war einmal ein kalter blauer Tag, nichts als Blau untermauerte den Morgen, den Hafen, den Alltag, blau war jede Farbe, und blau glitzerte das Meer. Der Himmel blau. Da waren blaue Boote, die in See stachen und manchmal nie wieder gesehen wurden, Boote, die voller Funde zurückkehrten, Boote, die so leer waren wie Geisterschiffe.
Blau war der Mond und blau die Sonne. Blaue Blumen säumten und schmückten den Wegesrand, und blaue Hände ergriffen sie und krönten sich damit zu Herrschern. Blaue Blätter fielen im Herbst und wurden im Frühling geboren. Blaue Äste ragten aus dem blauen Schnee.
Magda war blau, als sie das sah, und wie jeden Morgen trank sie das blaue Wasser, bevor sie still und blaue Tränen weinend ihres Weges ging. Sie stellte sich andere Farben vor, doch sie konnte ihnen keine Namen geben. Sie stellte sich Dunkelheit vor oder helles Licht, doch alles, was blieb, war die blaue Sonne. Sie schritt auf dem blauen Kies zum blauen Haus, zur blauen Arbeit, zum blauen Alltag, und die blauen Stunden vergingen langsam und träge, Sekunden erzitterten auf den blauen Zeigern auf den blauen Ziffernblättern. Und bald war die Sonne untergegangen, doch alles war gleichblau, und die Sterne funkelten blau am blauen Himmelszelt. Sie suchte einen Weg hinaus, doch fand sie keinen, der sie rettete.
Magda konnte nicht vergessen, sie wollte nicht vergessen, wie damals die Grüne kam, die alles veränderte, die ihr Farben aufzeigte, die sie nicht benennen konnte, und sie glücklich fühlen ließ. Es war, als wäre an dem Tag die Sonne anders aufgegangen als sonst, und anders als sonst war nicht alles blau gewesen, aber nur für sie, nur für Magda öffnete sich das Auge der Farben, und nur sie wurde geblendet von den Hügeln, die mit einem Male grün waren und die Vertiefung, die mit einem Male grün war, und die Landzunge, die mit einem Mal grün war.
Als die Grüne sie verließ, weil es an der Zeit war, entzog sie ihr auch all die Farben und all das Grün, und alles war wieder blau und kalt und eintönig und einsam. Magda pflückte am Wochenende blaue Blumen, und die Zeit wollte kein Ende nehmen. Blau das Wasser, auf dem sie segelte, blau der Himmel, unter dem sie stand. Der blaue Meeresbusen und die tiefen Gräben, alles blau und immer noch blau, wenn sie die Augen schloss und wenn sie sie wieder öffnete, blau und blau und alles blau. Magda hatte einst das Leben getrunken, doch nun ertrank sie selber im eigenen Blau des Lebens, und die Grüne ward nie wieder gesehen.
© Sarah Parisi 2022-11-17