by Tiefschwarz
In einem Dorf stand einst ein hübscher, junger Mann ohne Makel. Er hatte seine Brust geöffnet und zeigte sein Herz her. ” So ohne Narben, so ein schönes Herz”, staunten die Menschen am Dorfplatz! Da lachte ein alter Mann auf und die Leute fragten ihn, warum er lache. “Mein Herz ist viel schöner!” Dieser öffnete seine Brust und zeigte sein Herz her. Da waren Löcher im Herzen, Teile fehlten und anderes Gewebe war da, andere Farben, nicht zum “eigentlichen” Herz passende. “Das ist lächerlich” ,rumorten die Menschen, “warum sollte dein Herz schöner sein!” “Weil ich geliebt habe, geliebt wurde, geliebt werde und liebe. Jedes Stück, das von mir fehlt, ist bei wem anderen, der es benötigte und die Stücke in meinem Herzen, die nicht mein eigen sind, wurden mir gegeben um zu leben und zu lieben und manchmal, da bekommt man halt nichts zurück und es entstehen Löcher, aber die werden wieder aufgefüllt werden!”
… So oder so ähnlich verlief sie, die einst gehörte Geschichte und meine Gedanken kreisen um sie bei dem Gespräch um die bevorstehende Herzoperation. Ich sitze am Krankenbett. Der Arzt spricht. Dann werde eventuell mit der Säge das Brustbein aufgeschnitten, es könnte sein, dass hier und dort kleine Kabelausgänge geführt werden müssen, diese und jene Komplikationen. Rechts im Augenwinkel wackelt ein bereits operierter Herr mit Kabeln und ich merke nur zu deutlich, dass ich eine andere Vorstellung von “kleinen Kabeln” habe.
Also wird das Herz wieder umgeändert, wie immer sozusagen, wieder verändert werden. Diesmal aber physisch und echt und es ist ok, denn auch mein Herz besteht aus so vielen kleinen verschiedenen Teilen, wie die des alten Mannes und obgleich ich nicht alt bin, fühle ich das Glück des alten Herrn aus der Geschichte. Und es geht weiter.
© Tiefschwarz 2020-01-24