Josef war erleichtert. Auch er war kein Extremist. Von den Leuten vom Toten Meer in ihren Klausuren, ihrer Strenge und ihrer Erwartung vom gnadenlosen Gericht hatte er gehört, aber das war nicht seine Welt und sein Glaube.
„Schau, der Weg von Dir und Maria geht nach Betlehem.“ So sprach der Rabbi weiter. „An Jerusalem mit seinem protzigen Tempel und seinen Priestern zieht ihr vorbei, ihr lasst das links liegen[7]. Dann kommt ihr nach Betlehem. Da hat JHWH schon einmal mit einem Kind angefangen: König David. Noch wichtiger vielleicht: Dort hat der Prophet Samuel von JHWH als eigentlichem König von Juda gesprochen, bevor er David zum König salbte. Dort lernte der kleine David die Freude und die Musik, die die dunklen und bösen Gedanken von König Saul vertreiben konnten. Und dort wohnen heute viele einfache Leute wie Du und Deine Maria. Handwerker gibt es dort, Bauern, sicher ein paar ordentliche Wirtshäuser, und in der Gegend sollen zwischen Kulturland und judäischer Wüste ganz viele Hirten leben: einfache, aber freie Menschen, fast wie Abraham und Isaak und Jakob. Ein Gedicht sagt: „Was Gott dem Abraham verheißen, das lässt er nun dem Hirtenvolk erfüllt erweisen.“[8] Du, gerechter Josef, findest dort bestimmt auch viel Frieden, einen friedlichen Ort für Maria und euer Kind, wo Verheißungen dann Geschichte werden. Nicht perfekt, aber genug.Gott, ihm sei die Ehre. Geht in Frieden nach Betlehem. Geht im Vertrauen auf JHWH dorthin, und ihr werdet erleben, was vielleicht Größeres kommt.“
Das war das Schlusswort des Rabbi an Josef, sein Reisesegen sozusagen.Der ärgerte sich zwar immer noch über das Dogma aus Rom. Aber nach dem Besuch beim Rabbi nicht mehr ganz so sehr.„Ehre sei Gott allein…Friede bei den Menschen…Das klang in ihm nach, auf dem ganzen Weg bis Betlehem. Und er schmunzelte erwartungsfroh: „Mal sehen, was vielleicht Größeres kommt.“
Der Rest der Geschichte steht beim Evangelisten Lukas.
20.12.2022 MW
© Matthias Wünsche 2022-12-27