by Marc Benduhn
Ich werde es nie vergessen, niemals. Dafür schreibe ich es auf, wieder und immer wieder. Ich behalte es im Kopf, doch wer weiß wie lange. Irgendwann, wenn die Gedanken vielleicht verblassen, wenn das Reden schwerer fällt, dann bin ich vielleicht froh, alles einmal aufgeschrieben zu haben. Dann kann ich es mir vorlesen lassen, kann mich wieder einfühlen und diese Augenblicke neu erleben. Diese kleinen Augenblicke, die schon jetzt auf beiden Seiten etwas Großes in sich beherbergen. Doch das Ausmaß dieser Größe und Großartigkeit wird mir ohnehin meist erst später bewusst. Gerade die Gedanken an verstorbene Wegbegleiter, Patienten, Menschen, die mir ihre Zeit schenkten und denen ich meine Zeit schenkte, gerade diese Gedanken lassen mich innerlich selig werden.
Es sind nur ein paar Minuten von einem ganzen Tag. Doch diese Minuten sind so wertvoll, nicht nur für meine Patienten, besonders auch für mich. Denn glauben Sie mir, dieses Funkeln in den Augen, diese Begeisterung, dieses kurze Aufflackern von Leben, es ist ein unglaublich erhabenes Gefühl. Wenn es einem scheinbar dahinvegetierendem, bettlägerig gewordenem Menschen gelingt, sich in ein aufmerksam reagierendes Individuum zu verwandeln, dann ist es wunderbar. Reaktionsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Kopplungsfähigkeit, Differenzierungsfähigkeit, ein Lächeln, ein bewusstes Teilnehmen am Leben, all das sind Dinge, die die Situation für unterschiedlich lange Momente beherrschen und mit Leben füllen. Sie beobachten dieses Funkeln in den Augen, dieses Aufflammen der Lebensenergie, diese Verwunderung und Erstauntheit über das, was da gerade passiert.
Wie oft hörte ich, auch hinterrücks, es wäre doch nur ein Luftballon, ein Kinderspielzeug, etwas, was belächelt wird. Und ja, es soll belächelt werden, doch bitte auch aus der richtigen Perspektive. Sicherlich ist es schwer nachzuempfinden, denn es muss erlebt werden. Ausprobieren, es wird gut werden und Dankbarkeit wird die Folge sein, auf beiden Seiten. Ich liebe und lebe meinen Beruf mit allem, was dazugehört. Ich klage nicht und wenn, dann leise. Schließlich tue ich es nicht für mich, sondern für all jene, die das Funkeln in den Augen fast vergessen hatten. Auf diese Weise haben wir alle etwas davon und der Ballon ist ein Teil davon. Ich bin dankbar.
© Marc Benduhn 2021-04-13