Das gibt mir den Rest.

Aron Pour Nikfardjam

by Aron Pour Nikfardjam

Story

Ich wache vom Knall zugeschlagener Türen auf. Die Feuertüren, vor einiger Zeit neu in das Wohnheim eingebaut, scheinen ganz allein dafür da zu sein einen möglichst großen Krach beim Schließen zu veranstalten. Seit sie dort sind, ist es unmöglich meinen Flur zu betreten, ohne jeden Bewohner aus dem Schlaf zu reißen.

Im Gegensatz zu den Anderen weigere ich mich Ohrstöpsel zu tragen, ich hasse deren Gefühl in meinen Ohren. Vielleicht ist es aber auch nur eine Art unterbewusster Selbsthass, weiß doch der Fuchs was in meinem Unterbewusstsein so alles herumgeistert. Irgendwo dreht sich Freud im Grabe um.

Die Gemeinschaftsküche stinkt immer noch nach Rauch. Jemand hatte seine Spaghetti auf dem Herd vergessen. Als dann irgendwann in der Nacht der Rauchmelder losbrüllte, stand der ganze Stolz Italiens auch schon in Flammen.

Ich ziehe mich mit meinem Frühstück in mein Zimmer zurück. In der Küche stinkt es mir zu sehr, noch dazu ist es dort dreckig.

An meiner Wand hängen Blätter mit Schriftstücken von mir. Eigentlich sollen sie mich motivieren. Aber heute schaue ich nur lethargisch kauend an ihnen vorbei wie ein Kamel in der Wüste. Ich beneide dieses alternative Ich.

In der Wüste gibt es keine Wohnheime. Keine brennenden Spaghetti. Keine schlagenden Türen. Nur endlosen Sand und völlige Stille.

Während der morgendliche Nebel durch mein geöffnetes Fenster kriecht, wird mir bewusst, dass es mein eigentlicher Traum ist in einem Anwesen am Waldrand zu wohnen und somit alles Andere nicht ausreichend ist. Um mich herum rücken schon die Wände näher.

Nichts an diesem Wohnheim ist schön; es ist hässlich, dreckig und voller Menschen mit denen ich rein gar nichts zu tun haben will.

In dem Zimmer neben mir hat jemand laut Sex, die Wände sind viel zu dünn. Das gibt mir den Rest.

Im Taumel werfe ich mir Kleider über, raffe das Nötigste in meinen Rucksack, jetzt bleibt mir nur noch die Flucht nach vorn, sonst werde ich verrückt. Panisch zerre ich mir die Schuhe an, als mein Handy aufleuchtet.

“Hey guys!” Smiley, Smiley, Feieremoji. “We are all inviting you to our party in the kitchen tonight! We want to celebrate finishing our exams today. There will be drinks and music, we’ll bring a massive boombox! I know it’s hard trying to sleep when there’s a party going on, but we don’t give a fuck. Don’t be a dick and join us.”

Ich gefriere mitten in der Bewegung. Für einige Augenblicke denke ich, dass ich gleich in Tränen ausbrechen muss. Dann greife ich langsam nach dem Handy. Per Mail melde ich mich krankheitsbedingt von meinen Seminaren die Woche ab.

Dann gehe ich in die Küche, fülle den Topf mit Spaghetti, drehe die Hitze auf volle Kraft voraus. Die Batterien aus dem Rauchmelder nehme ich als Trophäen mit. In den nächsten Stunden wird sowieso keiner die Küche betreten, die meisten kochen gar nicht selbst.

Als ich aus der Tür gehe, riecht es schon recht angebrannt, mit einem Mal bin ich guter Laune. Ob sie wohl den Brand löschen können, bevor er die Gasleitung erreicht?

© Aron Pour Nikfardjam 2022-11-07

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