Ich sitze im Kaffeehaus. An einem Fensterplatz. Schreibend. Lesend. Am Nachbartisch eine angeregte Unterhaltung. Manchmal dringen Wortfetzen an mein Ohr. Für mich ohne Zusammenhang, keinen Sinn ergebend. Die Geschichte, die ich soeben geschrieben habe, schicke ich in die Welt hinaus, in der Hoffnung, dass sie Leser:innen findet. Eine Geschichte von Ausbruch und Aufbruch in ein neues Leben. Ein Klassiker. Ein Allerweltsthema, in den verschiedensten sprachlichen Varianten durchgespielt, in langatmigen Romanen dargestellt und in Diskussionen zerredet. Trotzdem aktueller denn je. Freiheit und Selbstbestimmung in einer von gesellschaftlichen Normen und Zwängen beherrschten Welt. Ein weites Land wie die burgenländische Steppenlandschaft, in der meine Wurzeln zu finden sind.
Der Tee ist kalt geworden. Draußen ist es auch kalt. Der Winter scheint zurückgekehrt zu sein. Schon lange sitze ich hier, im Café Central. Allein. Menschen kommen, Menschen gehen. Es ist Sonntag. An diesem Tag ist das Kaffeehaus immer gut besucht. Für die meisten Menschen ein arbeitsfreier Tag. Zeit, sich mit Freunden zu treffen oder auch allein bei einer Melange das Leben zu genießen. Die Musik ist aus den Siebziger Jahren, die mich an meine Jugend erinnert, die mich schmerzlich sehnsüchtig berührt und verblassende Erinnerungen in mir auslöst. Ein kurzes Aufblitzen in meinen Gehirnwindungen und ein ebenso schnelles Verschwinden in den Tiefen meines Unbewussten. Ich fühle mich geborgen im Kaffeehaus. Allein und doch nicht allein. Umgeben von Menschen, deren Lachen nach Leben klingt.
Aber dann habe ich genug vom Im-Kaffeehaus-Sitzen. Meine Geschichte ist geschrieben und weggeschickt. Mein Kopf ist leer. Ich bezahle meinen Tee und gehe hinaus in den trüben wolkenverhangenen Märztag. Es ist noch Zeit bis zur Abfahrt des Busses, der mich nach Hause bringen soll. Ich gehe an der Haltestelle vorbei, an den Auslagen der Geschäfte vorbei, bis ich an einer besonderen Auslage mit dazugehörigem besonderen Geschäft ankomme. Es nennt sich die *Koryphäen* und ist ein Betrieb, der gebrauchten Dingen zu neuem Leben verhilft. Gut für die Umwelt. Ressourcen schonend, der Wegwerfgesellschaft ein nachhaltiges Zeichen setzend. Nicht nur Bekleidung, auch Spielzeug und Haushaltsgegenstände können hier abgegeben werden. Arbeit suchende Menschen können hier Arbeitsplätze bekommen und die gespendete Ware, wenn nötig, reparieren und so wieder in den Wirtschaftskreislauf bringen. Die Auslage ist langgezogen und zeigt Kleider, Blusen, Hosen, Röcke, Taschen zu sehr niedrigen Preisen. Ein kleiner Versuch, der Umwelt zerstörenden und Menschen krank machenden Produktion von *Fast Fashion* etwas entgegenzusetzen. Die Auslage führt um die Ecke in eine dunkle Einfahrt. Dort gibt es ein Bücherregal mit Büchern zur freien Entnahme. Eine gute Idee, denke ich, und bleibe davor stehen. Ich greife wahllos nach einem eher kleinen, schmalen Band und ziehe ihn aus dem Regal. Ich halte ein abgenutztes abgegriffenes Buch in meinen Händen. Es ist der Roman *Wie kommt das Salz ins Meer* von Brigitte Schwaiger, den ich vor langer Zeit gelesen habe. Ich freue mich über die Wiederbegegnung mit diesem schon fast vergessenen Buch und nehme es mit nach Hause.
© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2025-03-17