Was taten wir damals, als wir noch mit analogen Fotoapparaten behängt waren und uns jedes Foto genauestens überlegt hatten, weil die Ausarbeitung auf Papier eher eine Lawine gekostet hatte? Oder wenn wir nach dem ersehnten Urlaub in stundenlanger Fuzzel-Arbeit die Dias geschnitten und eingerahmt hatten, um sie dann so ansprechend der gesamten Verwandtschaft zu präsentieren? Meine ersten Dias waren hinter zwei Glasplättchen mit vier Klebestreifen gerahmt und sind sanft in Wechselkassetten gebettet worden, um sie nicht verdreht zu sehen, seitenverkehrt und am Kopf stehend, die Projektoren der damaligen Zeit verlangten das exakt so, dass sie richtig an der Wand projiziert werden konnten.
Heute gibt es Selfies, kostengünstig, in enormer Anzahl versendbar, und saumäßig hässlich.
Das gezwungene Lächeln bei einer Selfie-Fotografie gleicht dem eines Bodybuilders, der gerade seine Muskel-Promotion ablegt und mit gezwungener Freundlichkeit seine Mimik in Stellung bringt, sodass man meinen möchte er strenge sich nicht an. Mit dem verinnerlichtem Satz: Es tuad eh ned weh! Versteinern seine Gesichtszüge und das Ergebnis ist dann eben dieses Hm-Lächeln mit extrem hochgezogenen Mundwinkeln.
Die Selfie-Technik ist da noch extremer, denn da werden zusätzlich noch Modle Posen eingenommen mit überkreuzten Beinen und irgendwelchen Fingertechniken, die eher an eine Babypuppe erinnern als an eine natürliche Gestikulation eines erwachsenen Menschen. Auch werden extra dafür mitgebrachte Accessoires wie Hand Täschchen oder Schirmchen oder sogar Hündchen wie zufällig in Stellung gebracht, um ein solches Foto zustande zu bringen. Ganz extrem wird es dann, wenn sich die lächelnden Grazien sei es Mann oder Frau, vor jene Sehenswürdigkeiten drängen, die die eigentlichen Darsteller sein sollten, sodass diese mit breitestem Grinsen vollends verdeckt werden. Was wollen die eigentlich wirklich fotografieren? Den Dom von Venedig oder ihr eigenes gekünsteltes Grinsen?
Man wird es nicht nachvollziehen können, diese Mitbringsel landen meistens im Netz und werden dadurch auch für mich sichtbar und zur Lachnummer. Natürlich lachen darüber kann dabei eigentlich dann nur noch ich!
© Andreas Tatowsky 2024-08-01