by Isabel Jahn
Kennt ihr das? Man steht früh auf. Nein, man wird aufgestanden, denn schließlich würde ich nicht freiwillig am Sonntag um 7 Uhr aufstehen, um mit Paw Patrol die Welt zu retten. Nachdem der Großeinsatz der Fellfreunde beendet ist, darf ich Frühstück machen. Aber ich soll dabei neben ihr auf der Couch sitzen bleiben und kuscheln. Kein Problem: Ich zaubere mir schnell einen Doppelgänger in die Küche und der macht für uns Frühstück. Ein Dilemma, Kind hat Hunger, aber Mama darf nicht aufstehen. Wir einigen uns auf 5 Minuten kuscheln und dann darf/soll ich Frühstück machen. Kaum sitzt man am Frühstückstisch und darf das erste mal von der Semmel abbeißen, steht das Kind schon angezogen im Flur. Helm, Knie- und Ellenbogenschützer hat sie sich wie durch ein Wunder ganz von alleine angezogen. Die Wohnungstür ist schon offen, bevor ich die Fünfjährige fragen kann, was sie eigentlich vor hat. Sie hat sich schon mal angezogen, weil sie ihr neues Skateboard ausprobieren möchte. Es ist ok, wenn ich noch aufessen möchte, sagt sie zu mir. Geht’s eigentlich noch, möchte mein inneres Kind sie anschreien. Stattdessen ermahne ich sie, dass sie mit dem Skateboard auf keinen Fall die Treppen runter rollen soll. „Jaaahaa, Mama! Das ist doch klar!“, antwortet sie. Für mich ist das auch klar. Aber ich bin mir nicht immer sicher, ob ihr das in jeder Situation so klar ist, daher nerve ich lieber einmal mehr mit solchen Hinweisen. Ich nehme mir vor, mich nicht von ihr unter Druck setzen zu lassen und mein Frühstück in Ruhe zu essen. Da kann sie sich gleich mal wieder in Geduld üben. Allerdings macht mich die offene Wohnungstür und ihr Geklapper im Flur nervös. Ein Nachbar kommt vom Gassigehen die Treppe hoch und unterhält sich mit ihr. Nachdem ich unentspannt aufgegessen habe, ziehe ich mir was an und wir gehen los. Sie steht auf dem Board und ich ziehe sie, indem sie sich an meinen Händen festhält. Sie will zum Skatepark. Wir gucken zu. Ich muss nichts sagen. Sie weiß, dass sie da erst drauf kann, wenn sie alleine auf dem Brett steht und halbwegs sicher damit fahren kann. Auf dem Rückweg ist sie fest entschlossen, alleine zu fahren. Nachdem sie das erste Mal auf den Popo gefallen ist und das Brett einige Meter ohne sie nach vorn geschossen ist, verdrückt sie sich ein paar Tränchen und wir fahren so zurück wie wir hin gekommen sind. An den Händen haltend. Zwischendurch halte ich sie aber nur noch an einer Hand fest. Plötzlich bremst sie abrupt ab und macht ohne Board einen großen Satz nach vorn. Ich war gerade in Gedanken und bin total erschrocken. Sie landet sicher auf ihren Beinen und kommt zu mir und dem Board zurück. Dann kniet sie sich hin und weist mich darauf hin, dass wir fast eine Schnecke überfahren hätten. Meine Güte! Hat sie etwa Adleraugen? Da war wirklich eine Minischnecke kurz vor dem Board. Wir reden der Schnecke gut zu und setzen sie im Grünstreifen daneben ab. Dann freuen wir uns beide, dass wir ein Leben gerettet haben.
© Isabel Jahn 2024-04-27