Das Leben liebt dich ~ Epilog (12)

Liebe Mama,

ich weiß, dass es mir nicht möglich ist, dir jemals diesen Brief zukommen zu lassen, aber das macht nichts, denn ich vertraue darauf, dass du auch jetzt trotzdem irgendwie weißt, was ich denke und fühle. Wie damals, als ich noch ein Kind war.

Ich hatte leider nie die Gelegenheit gehabt, dich besser kennenzulernen. Alles, was ich über dich weiß, hat mir Jackson erzählt, auch jene grauenhafte Nacht, in der du gestorben bist, Mama, hat er nicht ausgelassen.

Ich bin froh, dass er mir all das erzählt hat. Ich bin froh, dass er damals bei dir – bei uns – war, denn er ist ein toller Mensch.

Er war ein toller Mensch.

Ich kann immer noch nicht glauben, dass er nicht mehr da ist.

Wie auch immer, der Anlass meines Schreibens ist ein guter, tut mir leid, dass ich gerade etwas sentimental geworden bin.

Es ist ein Jahr her, dass ich aus dem Koma erwacht bin. Schon ein Jahr! Die Zeit vergeht so schnell, Mama, vor allem mir kommt das so vor, da es sich so angefühlt hat, als wäre ich von einem Tag auf den anderen erwachsen geworden.

Die vier Jahre dazwischen mussten ziemlich langweilig gewesen sein. Ich habe nur geschlafen.

Das einzig Gute, das mir dieser ganze Schlamassel gebracht hat, ist das Gefühl der Freude, das mich seit meinem Erwachen nicht mehr verlassen hat.

Ich kann es nicht mehr aushalten, du musst es jetzt erfahren: Ich bin verlobt! Ich freue mich so. Sam ist der beste Mann der Welt. Ich wünschte, du könntest ihn kennenlernen.

In einem Intensivkurs habe ich Autofahren gelernt, die Matura nachgeholt, und jetzt studiere ich Sozial- und Gesellschaftswissenschaften, weil mich das Verhalten von einzelnen Menschen und das von Gruppen im Allgemeinen fasziniert. Später möchte ich in der Forschung arbeiten.

Mein Leben könnte gerade nicht besser laufen!

Ich bin froh, dass du ein Teil meines Lebens warst.

Ich möchte nicht lügen: Ich vermisse dich. Sehr sogar.

Manchmal finde ich es auch ungerecht, dass ich lebe und du nicht. Sam sagt dann zu mir: „Ein Schiffsunglück und einen Autounfall hast du überlebt. Sieh es ein: Du liebst das Leben und das Leben liebt dich.“

So ist es wohl. Und ich habe nichts dagegen.

In Liebe

Mona