Die Sonne war bereits hinter den Berg gesunken und dunkle Schatten erstreckten sich ĂŒber das ganze Land, wĂ€hrend die Sterne hell funkelten, ohne dabei in dieser dĂŒsteren Neumondnacht viel Licht zu spenden. Stumm lag die Nacht ĂŒber der Landschaft wie ein schwarzer Samtmantel, der jeden Laut schluckte und nichts als Stille mit sich brachte. Unruhig wĂ€lzte Lena sich in dieser Nacht hin und her, kam einfach nicht zur Ruhe trotz der Stille. Ihr Herz klopfte, wĂ€hrend sie in der Dunkelheit allein in ihrem Bett lag. Sie nahm einen tiefen Atemzug, doch auch das konnte die Angst nicht vertreiben, die sich wie Finger um ihren Brustkorb gelegt hatte, sodass sie kaum noch atmen konnte. Mit jedem Moment, den sie sich weiter von einer Seite auf die andere drehte, fĂŒhlte es sich mehr und mehr so an, als wĂŒrde die Angst ihr Klauen in ihre Brust graben, tiefer und tiefer, bis sie ihr Herz erfassten, umschlossen, und nichts als eisige KĂ€lte in ihrem Innersten zurĂŒcklieĂen. Was wĂŒrde sie dafĂŒr geben, wenn sie jetzt nicht allein wĂ€re? âGeh einfach zu deiner Mutterâ, schoss es ihr durch den Kopf. Ja, und was dann? Das MĂ€dchen konnte kaum zu ihrer Mutter gehen und ihr ĂŒber ihre Furcht erzĂ€hlen, denn sie wusste nicht, wo vor sie sich genau fĂŒrchtete. Warum raste ihr Herz so? Es erschien ihr, als fĂŒrchtete sie sich vor allem und gleichzeitig vor nichts. Alles, was sie spĂŒrte, war diese unbestimmte Unruhe, als wĂ€re die Angst ein unsichtbares Monster, welches sich unter ihrem Bett versteckte und immer, wenn es hungrig wurde, wie ein Schatten aus den Fugen hervorkroch, sich auf sie stĂŒrzte und sich von ihrer Panik nĂ€hrte, den Schmerz ihrer Angst genoss. Zittrig schloss sie die Augen, in dem Versuch einzuschlafen, und allen GefĂŒhlen zu entfliehen, doch sie konnte keine Ruhe finden, wie eine lĂ€stige Zecke haftete die Furcht an ihr. Panisch keuchte Lena auf, grub ihre Hand in ihr Kissen, doch es half nichts. Am liebsten wĂ€re sie jetzt zu ihren Eltern gegangen, einfach um nicht allein zu sein, einfach, um endlich Schlaf zu finden, aber etwas in ihr strĂ€ubte sich. âDu bist ein Teenager, bald wirst du allein wohnen. Du musst lernen allein zurechtzukommen und nicht immer zu deinen Eltern zu laufen!â, schallte sie sich. âIch. Muss. Damit. Zurechtkommen.â Immer wieder wiederholte sie den Satz in ihrem Kopf, ohne dass er ihr Monster vertreiben konnte, welches sie wieder einmal nachts heimsuchte. Eine Weile verharrte sie noch so, aber irgendwann ertrug sie die Spannung, ihr stolperndes Herz, die Lautlosigkeit um sie herum nicht mehr. Schwer atmend lehnte sie sich vor und schaltete das Licht ein. Sofort legte sich die Angst etwas, jedoch blieb sie irgendwo in ihrem Herzen, gut versteckt in einem kleinen Winkel, aber sie war noch da, bereit zuzuschlagen, sobald das Licht wieder erlosch und die Stille sie umgab, das wusste Lena mit jeder Faser ihres Körpers. Sie kannte das schon, kannte schon diese langen, fĂŒrchterlichen NĂ€chte, in denen sie sich gleichzeitig einsam und doch verfolgt fĂŒhlte, verfolgt von einem erschreckenden GefĂŒhl, einem GefĂŒhl, das ihr genauso wie jetzt eine GĂ€nsehaut ĂŒber den RĂŒcken kriechen lieĂ und sie zu ersticken drohte. Verzweifelt schloss sie die Augen, um nachzudenken, was ihr Angst machte. Plötzlich hatte sie eine Erkenntnis: FĂŒrchtete sie sich etwa vor sich selbst, vor ihrer Zukunft? Hatte sie Angst davor, wer sie war und wer sie werden wĂŒrde? Ihre Kehle wurde ganz trocken und sie schluckte schwer. WĂŒrde sie es jemals schaffen, ihre Angst loszuwerden?
© Magdalena Rupitsch 2023-12-18