Es wurde wieder einmal Zeit auf eine große Reise zu gehen! Ich packte einen kleinen 30 Liter Rucksack, zog meinen weißen Baumwollanzug an und setzte den Panamahut auf – denn seit Jahren träumte ich davon in Manaus, inmitten des Amazonas, in die Oper zu gehen.
Laura, meine Reisegefährtin, und ich fuhren mit dem Zug nach Frankreich und reisten von dort mit dem Frachtschiff über den Atlantik. Inmitten des Ozeans begleiteten uns Delfine und sprangen stundenlang vor der Bugwelle des Schiffes. Ihre Verspieltheit und ihre Lebensfreude berührte mich!Wir legten auch auf der zauberhaften Karibikinsel St.Martin an: das Wasser war so warm wie in der Badewanne und lange weiße Sandstrände säumten das türkisblaue Meer. Vor unserer Ankunft in Belem lagen wir schließlich noch dreißig Stunden vor Anker, weil im Hafen kein Liegeplatz für unser Schiff frei war und dann gingen wir nach über drei Wochen Reise an Land.
In Belem – an der Mündung des Amazonas – angekommen, erkundeten wir den wunderschönen bunten Markt, auf dem die Früchte und Reichtümer des Amazonas feilgeboten werden. Unweit von den Markthallen aus längst vergangenen Tagen legen auch die Hängemattenschiffe nach Manaus ab. Jeder Reisende bringt seine Hängematte mit, die er in einem großen Schlafsaal aufhängt und dort verbringt er dann die sechs Nächte auf der epischen Schifffahrt den Amazonas stromaufwärts. Wir hatten Glück, bereits am nächsten Tag legte ein Dampfer ab und es war noch Platz für unsere beiden Hängematten. Also schipperten wir alsbald den kilometerbreiten Strom entlang, beobachteten die berühmten rosaroten Amazonasdelfine, sahen Tukane mit ihren bunten Schnäbeln in den Baumwipfeln sitzen und genossen eine geruhsame Zeit an Bord.
Kurz vor Manaus teilten mir die anderen Reisenden, die einen Reiseführer dabei hatten, mit, dass die Spielzeiten im Opernhaus sehr begrenzt wären und zum jetzigen Zeitpunkt keine Vorstellungen stattfänden. Ich blieb meinem Traum treu und meinte nur „Ich gehe heute Abend in die Oper.“ Die Mitreisenden lächelten nur und hielten mich für verrückt.
In Manaus angekommen suchten wir uns ein Hotel und dann spazierten Laura und ich zum Opernhaus. Dort erfuhren wir, dass genau an diesem einen Abend das 120 Jahr Fest der Oper stattfand! Der Bürgermeister von Manaus lud ein – wir brauchten nur auf den Einlass zu warten. Es hatte sich bald eine lange Schlange gebildet und die Frage war ob noch genügend Platz in der Oper war. Schließlich waren Laura und ich die letzten, die ins Opernhaus durften. Für mich war noch ein Platz in der Loge direkt neben dem Orchester frei. Die Vorstellung begann. Mein großer Traum wurde wahr.
Am nächsten Morgen reisten wir bereits weiter flussaufwärts bis zu den Anden Ecuadors und als ich schon längst wieder zuhause angekommen war las ich nach wie viele Sitzplätze das Opernhaus von Manaus hat: 701 Plätze. Zum Glück haben sie vor 120 Jahren noch diesen einen Platz mehr eingebaut, was für ein Geschenk!
© Weltenwanderer 2019-04-11