Eine Sage aus TangermĂŒnde
Die ehemalige Kaiserstadt TangermĂŒnde liegt dort, wo der Tanger in die Elbe mĂŒndet und das, schon seit ĂŒber tausend Jahren. Manch seltsames Ereignis ist dort geschehen und so gibt es auch hier einige Sagen zu erzĂ€hlen:
Jedes Jahr im Mai feierten die TangermĂŒnder ein groĂes Fest in so manchen WaldstĂŒcken, die TangermĂŒnde umgaben. So kam das Jahr, in dem sie im Lorenzwald, damals noch die Elbheide, ihr Fest feiern wollten. Der Wald war sehr beliebt unter den Bewohnern, denn sie erzĂ€hlten sich eine mĂ€rchenhafte Sage von der Jungfer Lorenz und dem rettenden Geweih, die in diesem Wald stattgefunden haben soll:
Wie jeden morgen, verlieĂ die Jungfer Lorenz ihr Haus in TangermĂŒnde und ging in den Wald, um nach WaldfrĂŒchten zu suchen. In der Elbheide war sie schon oft unterwegs gewesen, doch an diesem Tag entdeckte sie eine tiefer im Wald gelegene Lichtung mit voll tragenden BeerenstrĂ€uchern. So lief sie immer tiefer in den Wald hinein und fand ihren Weg nicht mehr hinaus. Sie lief Stunden umher, bis sie bei Einbruch der Dunkelheit aufgab und sich auf einem moosbedeckten Stein niederlieĂ. In ihrer Not stieĂ sie ein flehendes Gebet aus. Die Mutter Gottes solle ihre helfen. Und als sie so dasaĂ und betete, ertönte hinter ihr ein Knacken und Scharren und Schnaufen. Ăngstlich, gleich einem wilden Tier zu begegnen, drehte sie sich um, doch vor ihr stand nur ein groĂer Hirsch mit weiĂem Fell. Langsam legte er sich vor ihr auf den Boden und sah die Jungfer Lorenz mit dunklen Augen an. In diesem Moment wusste sie, die Mutter Gottes hatte ihr diesen Hirsch zu ihrer Rettung gesendet und sie stieg dankbar auf seinen RĂŒcken. Mit aller Kraft klammerte sie sich an dem gigantischen Geweih des Hirschs fest und ritt mit ihm durch die BĂ€ume hindurch, ĂŒber den weichen Waldboden bis zu den harten Steinen des Marktplatzes von TangermĂŒnde, zu dem der Hirsch sie gefĂŒhrt hatte. So wurde die Jungfer Lorenz aus TangermĂŒnde von einem groĂen weiĂen Hirsch aus dem Wald gerettet.
Als der Hirsch starb, so sagt man, wurde sein Geweih in die Nikolaikirche in TangermĂŒnde gehĂ€ngt. Den Wald, in dem die Jungfer Lorenz verloren ging, nannten die Menschen von nun an Lorenzwald.
Noch heute gibt es bei TangermĂŒnde ein Gebiet, das ‘Lorenzsches Feld’ genannt wird, es erinnert an die sagenhafte Begegnung mit dem weiĂen Hirsch.
© Johanna Buchholz 2024-03-27