Ich bin die ganze Nacht schon wach, bin durch die Gegend gefahren, habe Orte besucht, an die ich viele schlechte und vielleicht auch gut Erinnerungen habe. Ich bin an Häusern von Leuten, die mir etwas bedeutet haben, vorbeigekommen, ich habe in dunkle Fenster und auf geschlossene Fensterläden geschaut. Ich parke das Auto wieder Zuhause und werfe den kompletten Schlüsselbund in den Briefkasten und ich laufe los.Es ist vielleicht 3, vielleicht 4 Uhr. Ich laufe zum Bahnhof, setze mich an den Rand des Bahnsteigs und warte bis die Sonne für mich ein letztes Mal langsam aufgeht, währenddessen ich die letzten Änderungen an meinen letzten Nachrichten mache, die ich später sende oder jemanden damit beauftrage.So langsam ist Sonne so weit aufgegangen, dass ich mich aufmache, zu meinem eigentlichen Ziel. Ich laufe auf einem Weg am Rande des Tals, einer Schneise, die ein Fluss über lange Zeit gegraben hat und ich sehe die halbe Stadt noch im Dunkeln, im Schatten des weiter voranschreitenden Sonnenaufgangs.Ich öffne die Tür vom Fluchtweg und betrete die Gleise, die mich direkt dahin führen, wo ich hin wollte. Ich trete nur auf Bahnschwellen, weil ich dem Bahndamm nicht so richtig traue. Ich blicke vom Viadukt noch ein letztes Mal auf die gerade erwachende Stadt, noch ein letztes Mal lasse ich meinen Blick über den Horizont schleifen und folge mit dem Blick dem Fluss und ein letztes Mal genieße ich Aussicht.
Ich hole tief Luft, ich schließe meine Augen.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr!
© Erik Weißflog 2022-08-03