Den Himmel nah

Birgitta Wieser

by Birgitta Wieser

Story

Meine Freundin Lena aus Schweden besucht mich einmal im Jahr.

Dieses Jahr war es Anfang Juli wieder so weit und es kostet mich immer viel Überlegung mir schöne Bergtouren auszudenken, die für sie genug Herausforderung bietet und für mich trotzdem machbar sind.

So wurde die Idee geboren die drei Speicherseen auf der Schmittenhöhe in einer Wanderung einzubauen. Sie war begeistert.

An einem wunderbaren Sommermorgen standen wir an dem untersten Speichersee Plettsaukopf. Das ist unendlich viel Schönheit auf einem einzigen Fleck.

Unter uns Zell am See, rundherum die vielen Berge, über uns der blaue Himmel.

Der Steg führt uns weiter durch den Wald. Der Duft von Harz und Fichtennadeln, Blättern, Moos den etwas modrigen Geruch von feuchter Erde einatmen und es regt sich etwas in der Seele, ein Widerhall von den Urzeiten der Menschheit.

Weiter geht´s über blühende Wiesen.

Ein Summen und Schwirren liegt in der Luft, Bienen, Hummeln und verschiedene Schmetterlinge finden hier ein Paradies vor. Das gibt Hoffnung, vielleicht gelingt es der Natur, trotz unseres sorglosen Umgangs mit ihr, doch zu überleben.

Es wird jetzt immer heißer und wir machen eine kurze Trinkpause. Zwei Männer bleiben stehen und suchen das Gespräch, es sind Holländer und sie möchten ihr Freude über den schönen Tag und das Staunen über die atemberaubende Aussicht kundtun. Dann ziehen sie weiter, wir auch.

Speichersee Brunnermais, der „See der Kunst“ ist bald erreicht und ist genau so schön wie der Plettsaukopf

Wir beschließen den dritten See gleich in Angriff zu nehmen. Vor dem steilen Anstieg treffen wir die zwei Holländer wieder. „Wenn wir uns nächstes Mal sehen zahlen sie einen Liter“ sage ich und erkläre, dass man hier im Pinzgau so sagt wenn man sich unverhofft ein drittes Mal am Tag begegnet.

Als wir schliesslich den Hirschkogel Speichersee erreichen bin ich erledigt und lasse mich auf die erste Bank fallen.

„Schau was unseren holländischen Freunde machen“ sagt Lena.

An dem anderen Ende des Sees packen zwei Männer eiligst ihre Sachen und flüchten. Es besteht kein Zweifel, einer trägt leuchtend rote Stutzen, die sind mir schon bei unserer ersten Begegnung aufgefallen.

Wir stecken unsere armen Füße in das kühle Wasser, trinken die Wasserflaschen leer und starten dann in Richtung Schmittenhöhe, um mit der Bahn zurück ins Tal zu schweben.

Mit einem Cappuccino und einem geteilten Kaiserschmarren genießen wir noch einmal das Bergpanorama auf der Terrasse vom Franzl.

Ganz vorne am Geländer stehen zwei Männer. Einer hat leuchtend rote Stutzen. Sie bewegen sich mit kleinen Schritten ganz langsam Richtung Ausgang, beide kehren uns den Rücken und sie unterhalten sich intensiv. Am Ausgang schließlich angekommen verschwinden sie blitzartig.

Wir werden nie erfahren ob sie sich gefürchtet haben dass wir eine nähere Bekanntschaft stiften wollten, oder ob die Aussicht „einen Liter“ zahlen zu müssen, die Möglichkeiten ihrer Reisekasse überstiegen hätte.

© Birgitta Wieser 2019-12-11

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