Den Rubikon ĂŒberqueren

Wolfgang Lugmayr

by Wolfgang Lugmayr

Story

Im Jahr 49 v. Chr. ĂŒberschritt CĂ€sar mit den Worten “Alea iacta est” (Übersetzung in etwa: “die WĂŒrfel sind gefallen”) den Fluss Rubicon und traf damit eine riskante, unumkehrbare Entscheidung, die ihm in Folge seinen Platz als bedeutende, historische Figur in der Geschichte sicherte. Die Floskel (aus dem Lateinischen ĂŒbertragen ĂŒbrigens in etwa: WortblĂŒmchen) „Den Rubikon ĂŒberschreiten/ĂŒberqueren“ steht seither fĂŒr solch essenzielle, unumkehrbare Lebensentscheidungen.

Wahrscheinlich stand jeder von uns schon einmal vor einer solchen Entscheidung, auch wenn sie uns zu Beginn vielleicht gar nicht bewusst war.

Lass mich dir meine Geschichte erzÀhlen.

Vor etwa fĂŒnfzehn Jahren war ich glĂŒcklich und traurig zugleich, traurig ob eines schmerzlichen persönlichen Verlustes, glĂŒcklich ob eines scheinbar erfĂŒllten Berufslebens. Es war ein toller Job, den ich “hatte”, wenn auch anstrengend. Doch nachdem mein Privatleben ziemlich brach lag, konnte ich meine gesamte Energie in diesen Job stecken.

Ich sah dabei die Außenwelt, doch ich sah nicht mehr in mein Innerstes und ich ĂŒbersah viel zu lange, dass sich in mir etwas aufbaute, nĂ€mlich die Gewissheit, gegen meine wahre Natur zu leben. Erst als ich ernsthaft krank wurde, begann in meinen persönlichen Weg an den Rubikon 
 Schritt fĂŒr Schritt.

Auf diesem, oft steinigen, Weg lauern zahlreiche Ablenkungen, gar Gefahren. Um das Wesentlichste auf den Punkt zu bringen: Man beginnt etwas Neues, doch beendet das Alte nicht und kann damit Beiden nicht die Aufmerksamkeit schenken, die es braucht, 
 bis man dann am Ufer des Rubikon ankommt und eine Entscheidung zu treffen hat, die ohne Umschweife heißt: Alt oder Neu.

Ich folgte meinem Herzen, meinem Instinkt, nachdem der Verstand viel zu lange ĂŒber mich bestimmt hatte und schaffte mir selbst einen neuen Job. Ich wĂŒrfelte nicht mehr, um mein Schicksal zu bestimmen, sondern ich legte die WĂŒrfel liebevoll weg und ritt los, ĂŒber den Fluss, ans andere Ufer. So ist zumindest mein Empfinden heute.

Wie schön es dort 
 nein, hier 
 ist, wie erfĂŒllend!

Gerne gehe ich, wenn ich den Antrieb dazu spĂŒre, wieder zurĂŒck an den Rubikon und blicke auf das gegenĂŒberliegende Ufer, schwelge in Erinnerungen, erinnere mich dabei an die vielen wertvollen Erfahrungen, die ich gemacht habe, schöpfe Kraft daraus. Die Erinnerungen und Erfahrungen sind mir Werkzeug geworden, sie sind nicht mehr mein Antrieb. Das habe ich auf meinem Weg gelernt. So gestĂ€rkt verlasse ich das Ufer wieder, nun in Bewusstheit meiner Überquerung des Rubikon.

Wie oft blicken wir auf “die andere Seite”, doch wagen den Schritt nicht. Warum ist das eigentlich so? Das Leben ist immer auf UNSERER Seite. “Machen wir doch einmal einen auf CĂ€sar”, lassen wir die WĂŒrfel fallen und reiten wir los, nicht nur in den Sonnenuntergang, sondern gleich auch durch den Fluss. Ich kann es empfehlen!

© Wolfgang Lugmayr 2021-04-15

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