Der Bär ist los

Heidemarie Leitner

by Heidemarie Leitner

Story
Puch bei Hallein und Land Salzburg 1965 – 2023

„Was ist nur los Seppi?“ Ich halte meinen kleinen schwarzen Bären mit seinen Knopfaugen vor mein Gesicht. Er schaut ein wenig ratlos drein. Ja wir beide sind schon unser ganzes Leben zusammen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Jetzt ist ein Bär nicht mehr lieb und nett. Fast könnte man schon glauben, dass jeder Bär eine Bestie ist. Ein schwimmender Bär in Hallein in der Salzach. Das behauptet zumindest die Schwiegermutter meiner Tochter. Die Medien berichten von weiteren Sichtungen in unmittelbarer Nähe der Stadt Salzburg. Die Ratschläge für den richtigen Umgang mit Bären: „Singen, sich auf den Boden legen und Tod stellen?“ klingen nicht sehr vielversprechend oder gar beruhigend.
Vielleicht funktioniert das Rezept meines Großonkels. Der hat in Kanada in seinen Hut gebissen, als ihm der Bär auf den Baum gefolgt ist. Der Bär lief davon. Soll übrigens auch bei bissigen und unerzogenen Hunden funktionieren. Von denen gibt es ja jede Menge.
Also gehe ich ab sofort nur noch mit Hut in meinen Wald und Garten?
Das Thema hat mich schon vor einigen Jahren beschäftigt. Damals kam ein Bär aus dem Salzkammergut unserem Wald laut offiziellen Sichtungen sehr nahe. Es ist aber gar nichts passiert.

Salzburg war früher eine „Bärengegend“. Der letzte Bär wurde vor rund 200 Jahren erlegt. In alten Aufzeichnungen kann man lesen, dass es mehr Bären als Hirsche im Erzbistum Salzburg gab. Auch im Perchtenbrauchtum ist immer der Bär als Symbol der Stärke dabei. Er besiegt den Winter und bringt das Leben zurück. Unser Schulausflug in den 1970er Jahren führte uns in die Bärenhöhle im Bluntautal. Sehr aufregend für eine 11-jährige. Eng, nass, finster und außer Lehm und Steinen nichts zu sehen. Nicht einmal ein Tatzenabdruck. Da war unser Familienritual im Frühling, der Besuch im Zoo Hellbrunn, schon richtig spannend. Wir Kinder hofften natürlich, dass die Bären ihre Höhle vom Winterschlaf verlassen hatten. Es funktionierte jedes Jahr. Die Bären genossen sichtlich die ersten Sonnenstrahlen. Mein Papa hatte wahrscheinlich geheime Kenntnis vom Bärenorakel.

Es ist schon wirklich eigenartig. Im Gegensatz zum Wolf sind Bären nicht mit dem Stigma „Böse“ behaftet. In den verschiedenen Märchen und Geschichten werden sie als Freunde, Helfer, lustige Gesellen oder arme verwandelte Prinzen dargestellt. In meinem Kopf sind das Little John, Balu und Paddington. Yogi ist aus heutiger Sicht ein Problembär. Immerhin stahl er den Besuchern des Parks ihre Picknick-Körbe. Er hielt sich nie an die Regeln des Rangers.

Welchen Regeln haben Bären und Menschen eigentlich zu folgen?

Der Bär nimmt sich die Freiheit herumzuziehen. Ich habe das freie Nomadenleben aufgegeben. Lebe in einem Haus am Waldrand und habe mich mit den dort ansässigen Wildtieren mehr oder weniger arrangiert. Ich möchte lieber nicht direkte Bekanntschaft mit einem Bären in meinem Garten machen. Der Bär bringt eine andere Perspektive in meinen Lebensplan.

Der Bär besucht mich und nicht ich besuche den Bären im Zoo.


© Heidemarie Leitner 2023-05-18

Genres
Novels & Stories, Self-help & Life support
Moods
Herausfordernd, Emotional, Reflektierend
Hashtags