Der Beginn einer Liebesgeschichte

Saskia Winkler

by Saskia Winkler

Story

Es gibt Dinge, die kann man einfach nicht vorhersehen. Die werden in der zukünftigen Lebensplanung ebenso wenig bedacht, wie die Finanzierung der Rente im jungen Erwachsenenalter. Dinge, die niemals in kindlichen Gedankengängen des zu Erwartenden ihren Platz finden, weil die Blase, in der wir leben, uns schlicht und einfach davon abhält, überhaupt auf die Idee zu kommen, diese Dinge in das Sichtfeld dessen zu rücken, was wir im Leben so alles vorhaben.

Als Kind wollte ich immer Piratin werden. Piraten waren Helden für mich, die von den Reichen stahlen, um es den Armen zu geben. Heute weiß ich, dass ich da irgendwie mit Robin Hood durcheinandergekommen bin. Der Grundgedanke jedoch, für andere etwas zu tun, ihnen aus einer Notlage zu helfen, blieb.

Ein von guten Freunden der Familie herbeigeführter Zufall, sollte schließlich dazu führen, dass ich meiner ganz großen Liebe begegnen würde. Nichts und niemand hätte mich darauf vorbereiten können und vielleicht war das auch ganz gut so gewesen. Denn kreisende Gedanken bringen Menschen oft dazu, es sich dann doch anders zu überlegen und das zu verpassen, was hätte sein können.

Meine große Liebe begegnete mir an einem Abend im April. Wir schrieben das Jahr 2014 und meine Abenteuerlust hatte mich dazu ermutigt, mich im zweiten Obergeschoss eines Hauses zu verkriechen und einen Menschen in Not darzustellen. Meine Aufgabe war es, mich aus dem Fenster zu lehnen, mit den Armen zu wedeln und lauthals nach Hilfe zu schreien. Diese sollte schließlich in Form von tüchtigen Männern und Frauen in orangefarbenen Einsatzjacken durch die Schwaden der Rauch- mimenden Nebelmaschine in Erscheinung treten.

Brüllende Martinshörner kündigten die Ankunft meiner Retter und Retterinnen an. Mein Herz klopfte unaufhörlich, als mir ein Rettungsknoten um die Brust gebunden wurde und ich aus dem Fenster, auf die Sprossen der Leiter stieg. Der Feuerwehrmann, welcher zu meiner Sicherheit direkt hinter mir die Leiter hinabkletterte, trug eine Maske, die an eine Atemluftflasche angeschlossen war. Mit zitternden Schritten und einer Angst, die ich so noch nicht kannte, krallte ich mich an den Holmen der Leiter fest. „Nicht nach unten sehen, bloß nicht nach unten sehen!“ Der Satz lief in Dauerschleife in meinem Kopf, wie eine Schallplatte mit Sprung, die in eindringlicher Monotonie nach Aufmerksamkeit suchte.

Mit dem Moment, in dem meine Fußspitze den sicheren Boden berührte, schossen die Endorphine in meinen Blutkreislauf und es gab kein Halten mehr. Ich hatte mich schockverliebt. In große, rote Löschgruppenfahrzeuge, schwere, sperrige Atemschutzgeräte und vor allem in den Zusammenhalt der Einsatzkräfte, die doch unterschiedlicher nicht sein könnten. Ohne zu zögern, unterschrieb ich den Aufnahmeantrag der freiwilligen Feuerwehr und fand damit die Liebe meines Lebens.

Photo by David von Diemar on Unsplash

© Saskia Winkler 2021-04-29

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