Ich treffe mich mit meiner Freundin im Eingangsbereich vor der Bar. Im Vorfeld habe ich zu ihr gesagt: “Zieh dich nicht zu sexy an. Das tut uns nicht gut!“
Es ist 22.00 Uhr und der Abend noch jung. Wir trinken den zweiten Cocktail und meine Freundin sagt: “Ich gehe mal schnell zur Toilette, bin gleich wieder da.” Ich frage: “Soll ich mitkommen?“ Sie sieht mich mit angehobenen Augenbrauen an und antwortet: “Danke, ich bin schon groß und kann auf mich alleine aufpassen!” Ich sehe ihr zu, wie sie mit ihren Stöckelschuhen und dem kleinen schwarzen Kurzen davon geht.
Als sie zurückkommt, sagt sie aufgeregt: “So ein Idiot! Baggert mich der doch tatsächlich vor der Toilette an! So ein Ungustl!”, dabei deutet sie mit dem Kopf in Richtung Ausschank. “Der Typ mit der Glatze und dem blauen Sakko. Er sagt, er ist ein Frauenversteher. Hat mir in zwei Minuten erklärt, wer ich bin und was ich brauche!”
“Aha, interessanter Typ!”, sage ich trocken. Meine Freundin sieht mich fragend an, schüttelt den Kopf und ruft den Kellner, um sich noch einen Cocktail zu bestellen. Als er dann auch noch Soletti an den Tisch bringt, futtert meine Freundin gleich mal alles auf. Ich sehe sie an, sie sieht mich an und sagt: “Ich brauche das jetzt!“ Ich grinse sie nur an, denn ich kenne meine Freundin. Immer wenn ihr ein Mann zu nahe kommt, dann fängt sie an etwas in sich hineinzustopfen. Sie redet und philosophiert dann über das Klischee von Mann und Frau und über den jungen blonden Feuerwehrmann von letzter Woche. ”Der ist doch viel zu jung!“, sage ich zu ihr, hüpfe dabei vom Hocker und begebe mich in Richtung Toilette. Dort muss ich mich etwas anstellen. Es dauert bis ich an die Reihe komme.
Als ich wieder auf meinen Platz zurückkehre, ist er besetzt. Dieser Mann mit Glatze und Sakko hat sich auf meinen Hocker platziert und macht keine Anstalten ihn zu verlassen. Als ich ihn bitte, ihn mir wieder zu überlassen, ignoriert er mich und drückt mich mit seinem Ellbogen energisch zur Seite. Ich sehe an ihm vorbei in Richtung meiner Freundin und war erschrocken. Sie wirkte eingeschüchtert und ich frage: ”Alles okay?“ Noch bevor sie reden kann bekomme ich von ihm die Antwort: “Verschwinde, wir unterhalten uns gerade sehr angeregt!“ Dabei sehe ich, wie er seine Hand auf ihren Oberschenkel legt. Meine Freundin wollte etwas sagen, da hat er ihr auch schon Soletti vom Nebentisch in den Mund gesteckt.
Er hat die Grenze bei weitem überschritten! Ich mache mich ganz groß, stelle mich auf die Zehenspitzen, um besser über die Bar zum Barkeeper zu gelangen und sage lautstark: “Ist Luisa da?“ Für einen kurzen Augenblick sieht er mich an und dann hat er verstanden, was ich wirklich brauchte. Mit dem Code “Ist Luisa da?” können sich Mädchen und Frauen an das Personal in Lokalen wenden und bekommen unmittelbar und diskret Hilfe.
Der Kellner befreite meine Freundin, rief uns ein Taxi, begleitete uns vor die Tür und rettete uns somit aus dieser bedrängenden Situation.
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© die kunst der perspektive 2022-10-23