Der Geist der Weihnacht

Musenzeit

by Musenzeit

Story

There is no Christmas without the Christmas Carol”, schwärmt Robert mir vor, er vertieft sich zur Zeit in die Original-Hörbuchversion. In England sei die Geschichte Kult. Ob das denn bei uns auch so wäre? Ich erinnere mich, das Buch über den Geizhals Ebenezer Scrooge, den strengen Geist der Weihnacht und den geheilten Tiny Tim in meiner Kindheit gelesen zu haben. Alastair Sim brillierte als Scrooge in einer Verfilmung aus dem Jahre 1951.

Ein Artikel der BBC zu den Hintergründen lässt mich zeitreisen:

Angewidert von der Runde war Dickens, als er 1843 zu einem Fundraising-Abendessen für alte, verarmte Männer geladen war: “Aalglattes, schmieriges, krummbeiniges, überfüttertes, apoplektisches, schnaubendes Vieh.” Sein unmissverständliches Urteil. Dickens strebte einen gesellschaftlichen Wandel an. Angesichts schockierender Armut und Kinderarbeit plante er, einen “literarischen Hammerschlag” zu verfassen, der mit einer Wucht “zwanzigtausendmal so stark” wie die eines Pamphlets einschlagen würde. Sein leidenschaftlicher Appell an die Verantwortung der reichen Oberklasse in Zeiten der Wirtschaftsdepression wurde landesweit publiziert. Unter den Eindrücken der Sterbenden auf den Straßen Manchesters schrieb er in den folgenden Wochen “The Christmas Carol”, die Kosten für die Veröffentlichung zahlte er selbst. Das illustrierte Buch schlug tatsächlich ein wie eine Bombe, mit anhaltendem Erfolg.

Wenn Unwissenheit und Armut nicht bekämpft werden, dann prägen gewalttätige, gefährliche Erwachsene die Gesellschaft, so lautet die Kernbotschaft, der Appell: Tut was!

Selbst tun, einen Unterschied machen. Damals wie heute. Natürlich. Was ist damit, sich mehr zu wünschen, von bestimmten Personengruppen? Vermessen, unverschämt, gierig? Was greift in Zeiten des globalen Kapitalismus? Kann man gierig nach einem würdigen Miteinander, nach Gerechtigkeit werden?

Was braucht es wohl, um das Herz derjenigen zu wärmen, die so große Unterschiede machen könnten… und wer schafft die Gesetze, die langfristigen Rahmenbedingungen dafür?

Ein bisschen davon träumen mag ich in diesen dunkleren Tagen…

An Adventtagen, wo ich so sehr empathiemüde werde und Extra-Spenden-Aufrufe am liebsten ungesehen in die Tonne hauen will, da tagträume ich mich gerne hinein in Szenen, mit kindlicher Hoffnung. Ob so ein Geist auch in einem Space Shuttle erscheint und dann jemand seine Hunderttausende wohl wieder zurückverlangen und zu den Menschen tragen würde? Wann kommen solche Geister? Sind sie zu rufen? Und in Zeiten von meta, ist er dann auch im Metaverse und social media unterwegs? Kauft sich dann jemand keine Pseudo-Yacht für 60.000 Dollar? Und die Sonder- Spendenaufrufe werden gleich an Briefkastenfirmen per Einschreiben geschickt…

Hey, Scrooge, kannst du deinen geläuterter Geist aus dem ein oder andern Glühweingläschen an dieser Weihnacht sprechen lassen? Die Auswahl ist groß…

Welcome back to Christmas!

© Musenzeit 2021-12-22

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