Der “Herr von Albanien”

Eva Filice

by Eva Filice

Story
Tirana, Kruje, Lezha 1405 – 2023

Er begleitete uns auf der 10-tägigen Reise durch Albanien – von Nord bis Süd – zu vielen Orten und Burgen. Auch in der Hauptstadt war er präsent, der “Herr von Albanien”, wie er von seinen Mitkämpfern im 15. Jh. genannt wurde. An vielen Orten begegneten wir Gjergj Kastrioti, dem Fürsten der albanischen Adelsfamilie der Kastrioti, die der römisch-katholischen und später der orthodoxen Glaubensgemeinschaft angehörte. Die meisten Tankstellen in Albanien tragen den Namen seiner Herkunftsfamilie, leicht erkennbar durch den eigenwilligen gelben Helm mit Hörnern. Dieser seltsam geformte Helm des albanischen Nationalhelden, bekannt als Skënderbeu (Skanderbeg auf Deutsch), spielt im Roman „Die Erweiterung“ von Robert Menasse eine tragende Rolle. Der Helm des Skanderbeg, ein Ziegenkopf mit Hörnern, und sein Schwert können im Weltmuseum in Wien bewundert werden.

Vom Papst Calixtus III. erhielt Skënderbeu für seine Erfolge im Kampf gegen die Osmanen im 15. Jh. die Auszeichnung “Kämpfer des Christentums“ (Athleta Christi) und vom Papst Pius II. den Ehrentitel “Neuer Alexander“, in Anlehnung an Alexander den Großen. Der Name des legendenumwobenen Helden Albaniens Skënderbeu, leitet sich aus dem Osmanischen “İskender” (al-iskender für Alexander) ab. Der Mythos dieses Helden überdauerte die Zeiten des immer wieder umkämpften Landes durch viele Jahrhunderte. Er wird in der Gegenwart verstärkt gepflegt, um das Nationalempfinden Albaniens zu festigen. Die Verehrung Skënderbeus hängt mit der abwechslungsreichen Geschichte des Landes zusammen, die hier in Kürze zu erklären sich als schwierig erweist.

Die Festung von Kruja im Norden des Landes war der Adelssitz der Kastrioti, wo Skënderbeu am Fürstensitz seiner Familie 1405 geboren wurde. Wir besuchten diese seit dem 5. Jh. n. Chr. bestehende Burg, die sich in der Nähe des heutigen Bazars befindet. Sie wurde 1982 von Pranvera Hoxha, der Tochter des damaligen Diktators als “Muzeu Kombetar Gjergj Kastrioti Skënderbeu” für den verehrten Nationalhelden errichtet. Die Person Skënderbeus dominiert jeden Raum, sei es als Büste, als Relief und beim Eingang als dominierende Figur in Lebensgröße inmitten seiner Kampfgefährten, die er um Haupteslänge überragt.

Südlich von Kruja wird in Lezha in der ehemaligen St. Nikolauskirche das Grab des 1486 verstorbenen Nationalhelden vermutet, das bald nach seinem Tod von den Osmanen zerstört wurde. Heute erinnert das Skënderbeu-Mausoleum in Lezha an alle Orte seiner Siege, die er als Militärkommandant bei der Verteidigung seines Fürstentums über die Osmanen erringen konnte. Seine Büste, Helm und Schwert werden mit der heutigen Nationalfahne, ein schwarzer Doppeladler auf rotem Grund, wirkungsvoll präsentiert.

Auf dem großen nach ihm benannten Platz im Zentrum der Hauptstadt Tirana sitzt Skënderbeu hoch zu Ross, auf dem Kopf den Helm mit dem Ziegenkopf und in der rechten Hand das Schwert. Ob so viel Nationalismus die ideale Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union sein kann, fragte ich mich oft während unserer Reise.

© Eva Filice 2023-10-22

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Travel, Biographies
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Herausfordernd, Informativ, Reflektierend
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