Der Jung-Politiker

Walter Weinberg

by Walter Weinberg

Story

Eine neue Message kam auf der Dating-App: „Wie gehts?“ Er wirkte am Bild mit Weste etwas bieder, war aber nett und wir verabredeten uns in einer schönen Weinbar. Er bestellte zum Wein eine Prosciutto Platte. Endlich mal ein Mann, der mich verwöhnt! Am Wochenende wollte er mich wieder sehen. Wir tranken Wein im Café bei Kerzenschein. Nachdem wir schon einige Gläser intus hatten, reichte uns die Kellnerin ein Teller mit Knabbereien. „Irgendwie sieht das alles aus wie Maden und Würmer!“, bemerkte ich. Gerald erklärte, dass die Ähnlichkeit Absicht, aber nur ein Partygag ist.

Wir fuhren im Auto in seine Wohnung. Was für ein Schock! Er wohnte im Haus von Clemens und noch dazu direkt unter ihm! Der Bass von Clemens lauter Musik war unüberhörbar. Nach zwei Flaschen Wein ging es mir besser. Wen Clemens wohl gerade in seiner Wohnung zu Gast hat? Ich erzählte Gerald von meiner Liebschaft. Er war tatsächlich DER Chauffeur von Clemens, der uns mit seinem Anruf aus dem Liebesschlaf riss! Gerald berichtete, dass Clemens das ganze Haus gehört und er aus sehr reichem Haus ist.

Gerald gestand mir jetzt, dass die Maden und Würmer im Café doch echt waren. Seine kleine Lüge hinterließ keinen guten Eindruck bei mir! Am nächsten Morgen wollte ich meine Mutter besuchen, die in Baden auf Kur war. Ich musste daher früh aufstehen und hatte so einen guten Grund mich jetzt zu verabschieden. Gerald bot mir an, mich mit dem Auto rauszufahren und wieder abzuholen. Durch so ein nettes Angebot war ich schnell wieder versöhnt. Jetzt war er auch mein Chauffeur! Ich schwärmte vor meiner Mutter, wie zuvorkommend er ist, und dass er der Pressesprecher des Sozialministers ist. Pünktlich um 5 holte er mich vorm Klinikum Baden ab.

Die Woche darauf verabredete ich mich mit einem Schweizer für ein Gay-Clubbing in der Arena Wien. Mangels Nachtbus musste ich von dort bei Schneegestöber um 3 Uhr nachts zu Fuß nach Hause gehen. Leider kein Limousinenservice von Gerald für mich, aber am nächsten Tag lud er mich zu sich zum Mittagessen ein. Ich hatte noch etwas Restalkohol und trank mit ihm schon die nächste Flasche Wein. Dazu gab es Grillhuhn und leckere Nachspeisen. Gerald befüllte meinen Teller ohne Unterlass, und ich landete übervoll auf seiner Couch! Dazu meinte er: „Ich werde Dir soviel zu essen geben, dass Dich nie wieder ein anderer Mann ansieht!“ Das wurde mir jetzt zuviel! Ich hatte auf keinen Fall vor meine Traumfigur aufzugeben. Wahrscheinlich war es Zeit meine Bekanntschaft mit dem Jungpolitiker aufzugeben! „Ich möchte gern noch eine Nachspeise!“, überraschte ich Gerald. Er war sofort bereit mir noch mehr aufzutischen: „Was möchtest Du denn gerne?“ „Ich möchte, dass Du mir Clemens nackt auf einem Silbertablett servierst!“ Damit war ich ab sofort im Haus von Clemens nicht mehr erwünscht!

Gerald wurde Abgeordneter im Parlament und gab sich dort mit seinen Wut-Reden wie ein angriffslustiger Wadenbeißer! Er wurde sogar Parteichef, aber seine Partei flog aus dem Parlament!

© Walter Weinberg 2020-08-30

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