by kuro klein
Ich bin ein komischer Mensch. Egal, was ich tue oder nicht tue, ewig begleitet von Gedanken, ob es richtig ist, was ich tue, oder es richtig ist, nicht zu tun, was ich nicht tue, aber tun sollte. Überall habe ich das Gefühl, dass irgendwas passiert. Ist die Ampel Grün bleibe ich stehen, weil hundert Meter entfernt eine Straßenbahn um die Ecke biegt und ich mir nicht sicher bin das sie stehen bleibt! Schon überlege ich. Ist es besser, zu laufen? Kann es passieren, dass ich dabei stürze und von der Straßenbahn überfahren werde! Ist es gescheiter, langsamer zu gehen? Bin ich aber zu langsam, überfährt sie mich da nicht auf jeden Fall? Morgens, wenn meine Augen öffne, entscheide ich mich, ob ich gut oder schlecht geschlafen habe. Gut geschlafen, belohne ich mich mit einem Sprung aus dem Bett. Doch bevor ich springen möchte, denke ich an meine Bandscheiben und den Glascouchtisch. Dann sehe ich den Rollator meiner Nachbarin vor mir und wie wir beide uns beeilen, bei Grün über die Ampel zu kommen. Entscheide ich mich für den schlechten Schlaf, spielt das alles keine Rolle. Die Kohlenhydrate sind schuld daran, und es gibt heute Abend Gemüse und Fisch zu Essen. Jetzt tun mir die armen Fische leid und ich wechsle zu Magerjoghurt. Ich kontrolliere alle sechs Weckfunktionen, drehe mich um und schlafe weiter. Nach dem Frühstück – zwei doppelten Espressos und drei selbstgedrehten Zigaretten zwickt es mich manchmal. Zu viel Koffein und Nikotin ist ungesund, da greife ich oft zu koffeinfreien Kaffee und leichteren Tabak. Ich hoffe, der Fair Trade Kaffee ist wirklich fair und die Kaffeebauern bekommen auch für koffeinfreie Kaffeebohnen ihr volles Geld. Seit einiger Zeit trinke ich den grünen Tee von meinem Nachbar aus Eigenanbau – ich möchte es gesünder angehen, denke dabei aber an die Schwermetalle und an den Sicherheitscheck am Flughafen. Ich esse nichts morgens, zu viele Kohlenhydrate machen dick. Andererseits sind sie der Treibstoff für unser Gehirn. Ich muss unbedingt heute das Sudoku in der Zeitung lösen. Löse ich es nicht, bin ich Anwärter auf Demenz. Da gönne ich mir sicherheitshalber zwei Punschkrapfen zum Gabelfrühstück. Fruchtsäfte spare ich mir prinzipiell aus, ich hab’s nicht so mit süßen Getränken – und so lange kein Mangobaum in meinem Hinterhof wächst, mache ich mir weiterhin grünen Tee aus dem Pflanzenbestand meines Nachbarn. Ich gehe ins Bad und der Abfluss blubbert. Was ist passiert? Hat eine Ratte versucht, durch den Kanal zu kommen. Um Gottes willen spinnt meine Waage, ich werde gleich heute eine neue besorgen. Beim Auswaschen von Joghurtbechern habe ich ein schlechtes Gewissen Wasser zu verschwenden, andererseits wenn ich sie nicht ausspüle, riechen sie. Habe ich Besuch, könnte der glauben, dass ich ein Schwein bin, weil es stinkt. Deswegen kaufe ich Joghurt nur mehr im Glas zum Verschrauben und ich will nicht das man Schweine beleidigt. Was kann das Schwein dafür? Schraube ich vom Altglas die Metalldeckel nicht ab, denke ich daran wie tausende Recyclingmineralwasserflaschen keine Zukunft haben. Öffne ich einer Frau die Tür, habe ich Angst, dass sie mir ins Gesicht springt und lass es lieber sein. Jetzt mache ich mir Vorwürfe, dass sie glaubt, ich sei ein Sozialchauvinist oder so ähnlich. Sie öffnet mir die Tür, ich bedanke mich und fühle mich schlecht. Ab morgen werde ich wieder Kaffee zum Frühstück trinken, der grüne Tee vom Nachbar tut mir nicht gut.
© kuro klein 2025-03-12