Die ganze Woche schon freue ich mich auf den heutigen Abend. Die letzte Zeit war im Studium so stressig, dass ich nicht eine freie Sekunde für meine Freunde finden konnte. Aber das ist jetzt vorbei. Das Studium ist abgeschlossen und das Leben kann beginnen. Selbst, wenn mir das Lernen nicht so schwerfällt wie manch anderen vielleicht.
Gerade bin ich auf dem Weg zu meiner besten Freundin Elena und anderen guten Freundinnen. Wir haben eine hoffentlich lustige Übernachtungsparty unter uns Mädels geplant. Ich fahre zwar nur ungern nachts mit dem Auto, aber für einen ausgelassenen Mädelsabend würde ich fast alles tun. Wir haben uns für einen Horrorfilm und anschließend eine Romantikkomödie entschieden, um gut schlafen zu können. Der Kofferraum ist voll mit Bettwäsche, jede Menge Knabberzeug und natürlich Süßigkeiten.
Ich drehe die Musik lauter und summe leise mit. Tagsüber ist es sicher sehr schön hier zu fahren. Links und rechts der breiten Fahrbahn säumen dichte Wälder den großen Platz. Je schöner sie bei Tag glänzen, desto unheimlicher wirken sie bei Nacht. Meine Gedanken machen sich selbstständig, bis ein rosaroter Kinderwagen in meinem Blickfeld auftaucht. Stirnrunzelnd nehme ich meinen Fuß vom Gaspedal und lege ihn vorsichtig auf die Bremse. Wenige Meter nach dem auffälligen Kinderwagen halte ich an und werfe einen Blick in den Rückspiegel. Es scheint sonst niemand hier zu sein. Ich sehe nur kurz nach und stelle sicher, dass es nicht doch ein Baby ist. Plötzlich breitet sich ein mulmiges Gefühl in meinem Bauch aus. Ich bin hier komplett alleine. Oder besser gesagt; ich habe Angst, nicht alleine zu sein. Mein Blick wandert ein weiteres Mal in den Rückspiegel. Es hat sich nichts verändert.
Ich beschließe, es schnell hinter mich zu bringen und steige aus meinem Auto aus, um mit zügigen Schritten Richtung des Kinderwagens zu gehen. Als ich bei dem Wagen ankomme, ist er leer. Schwach atme ich durch, schließe meine Augen eine Sekunde länger als ich es für gewöhnlich tue und reiße sie weiter als ich es für gewöhnlich tue auf, als ich ein Rascheln wahrnehme, das eindeutig von hinter meinem Rücken kommt. Abrupt drehe ich mich zurück zu meinem Auto, doch sehe niemanden. Bevor ich gehastet beginne zu gehen, sehe ich nach rechts und links. Je schneller ich gehe, desto größer wird meine Angst. Mein Puls schlägt mir bis zum Hals. Mein Blick ist starr auf mein Auto gerichtet. Mein Atem ist schnell. Hinter mir nehme ich plötzlich Schritte wahr. Knackende Äste und raschelndes Laub. Ich reiße die Tür meines Autos mit Schwung auf und springe hinein. Mein Blick wandert sofort in den Rückspiegel, doch ich kann nichts erkennen. Nichts außer dem Kinderwagen.
Ich atme durch und starte mein Auto. Ich lasse die Kupplung los und steige ins Gaspedal, während ich meinen Blick weiterhin in den Rückspiegel gerichtet lasse. Alles leer.Ein letztes Mal wandert mein Blick in den Rückspiegel. Nichts … nur zwei große, leere Augen, die mich vom Rücksitz betrachten.
© Désirée R. Wagner 2021-06-19