Ich leiste mir den Luxus, schlecht erreichbar zu sein! Ich weiß, ich bin eine große Ausnahme in der heutigen Zeit und ich weiß auch, dass das Nachteile haben kann. Aber ich habe einen enormen Vorteil: Ich bin die Herrin über meine Zeit! Ich kontrolliere selbst, wann ich Ruhe haben möchte. Ich bin so gut wie nirgends medial vernetzt, also networke nicht. Ich besitze zwar ein Handy, aber ich drehe es nur auf, wenn ich unterwegs bin und Hilfe brauche. Über mein Festnetztelefon können nur Freunde mich erreichen. Ich habe sehr genau selektiert, wer meine Nummer bekommen hat. Ich stehe nicht im öffentlichen Telefonbuch, weil ich meine Nummer auf „anonym“ schalten ließ. Der Grund dafür waren die vielen Fake-Anrufe, die nur auskundschaften wollten, ob ich zu Hause sei. Es waren auch echte kriminellen Telefonate dabei, die mir vorspielten, dass jemand meiner Familie irgendwo in Not sei und eine Geldüberweisung verlangten. Die Polizei, die ich daraufhin benachrichtigte, reagierte nur genervt. Offenbar gibt es zu viele solcher Meldungen.
Mails lese ich, wenn ich Zeit und Lust dazu habe. Fallweise auch um Mitternacht.
Mein Computer ist mir sehr wichtig: zum Schreiben und auch zum Recherchieren. Mehr will ich nicht.
Ich komme aus einer Zeit, in der es selbstverständlich war, über seine Kontakte selbst bestimmen zu können und das will ich auch weiter so haben. In meiner Kinderzeit gab es nur das Vierteltelefon (in der Nachkriegszeit war es schwierig, überhaupt einen Anschluss zu bekommen) und nur eines im Haus, bei meinen Großeltern an der Wand montiert. Schwarz und mit runder Wählscheibe. Vier Anschlüsse teilten sich einen Zugang. Das bedeutet, dass man nur telefonieren konnte, wenn gerade keiner der übrigen drei jemanden anderen etwas mitteilte. Man musste sich natürlich immer nur kurzhalten – das befahl die Höflichkeit, den anderen gegenüber.
Die jüngeren Generationen können sich vermutlich gar nicht vorstellen, wie man sich ein Treffen oder eine Einladung mit seinen Freunden ausmacht. Heutzutage ist man sehr spontan und macht nichts fix aus, das heißt: wenn man nichts Besseres vorhat, kommt man. Ich finde das absolut unfreundlich und beleidigend, denn so kann es vorkommen, dass man allein beim Treffpunkt wartet oder dass beim Abendessen, zu dem man eingeladen hat, plötzlich viel zu viele hereintrudeln und bewirtet werden wollen. Beides ist sehr ärgerlich!
Früher galt eine Verabredung wie ein Handschlag und man konnte sich darauf verlassen. Gott-sei-Dank sind alle meine Freunde ebenso aus dieser Zeit und gestrig wie ich, deshalb funktionieren unsere Vereinbarungen.
Ich schäme mich nicht, wie aus der Zeit gefallen zu sein, sondern bin stolz darauf, dass ich mir die Lebensqualität der Kontrolle über meine Zeit bewahren konnte.
© Ulrike Sammer 2025-04-13