by Othmar Hill
Der Geschäftsführer einer westfälischen Maschinenfabrik beschwert sich über sein ukrainisches Team: “Ich weiß nicht, was dort los ist. Die Leute erreichen ihre Business-Ziele nie und wenn ich sie zur Rede stellen, meinen sie, dass eben eine Wirtschafts-Krise sei und es unmöglich wäre, erfolgreich zu sein. Wie soll ich mich verhalten?” Wir raten ihm, dass er alle zu einem Eignungstest schicken soll. In den Interviews stellt sich heraus, dass die junge und wunderschöne ukrainische Country Managerin durch ihren ebenso jungen und wunderschönen Popen ihr Personal suchen und auswählen ließ. Dieser brachte ebenso schöne und gut gekleidete streng gläubige Damen und Herren, die sich alle im Intelligenztest (inklusive ihr selbst) als strohdumm herausstellten. “Ja, um Gottes Willen wie konnte denn das passieren?” wollte der deutsche Generaldirektor wissen. “Wie sollen wir als deutscher Mutterkonzern nun reagieren?” Meine Antwort: “Schmeißt sie alle raus!” Zu dem Zeitpunkt hatte das ganze Abenteuer in vier Jahren schon fünf Millionen € gekostet! “Wenn ihr nicht komplett neu startet und dieses Mal der Personalauswahl erste Priorität einräumt , wird es Euch in den nächsten vier Jahren weitere fünf Millionen Euro kosten und garantiert keinen Erfolg bringen. Ihr sponsert in Kiew sozusagen eine orthodoxe Sekte, die nur “Management-Schauspieler” für eure Maschinenfabrik eingestellt hatte. Solange ihr im Werk seid, wird euch vorgespielt, wie professionell die Mann- und Frauschaft ist. Sobald die deutschen Vorgesetzten dann abgereist sind, fängt die Glaubensgemeinschaft zu beten an. Ihr sponsert also indirekt deren wahren Chef, der Metropoliten von Kiew.
Das ist nur eines der Spielchen, die in Zentral- und Süd-Ost-Europa abgehen und von denen die meisten westlichen Unternehmen keine Ahnung haben. Sie zahlen teure Investitionen ohne Aussicht auf Profitabilität. In Russland gab es ein Sprichwort: “Sie tun so als ob sie uns etwas bezahlten und wir tun so als würden wir arbeiten.” Es wird dauern, bis westliche Arbeits-Ethik in allen Betrieben vor Ort einzieht. Ich nenne die Grundmentalität das “Bring-your-family-Syndrom”: Zunächst werden möglichst viele Verwandte und Bekannte in den Betrieb eingeschleust und wenn das Kontingent erschöpft ist, wird von Bewerbern Geld verlangt, um ihnen den Posten zu beschaffen. Mit der Compliance ist es jedenfalls schlechter bestellt als im Westen. Es ist ja nicht zu verdenken, dass lokale Manager zunächst so viele Nahestehende wie möglich an den westlichen “Futtertrog” bringen möchten. Nur erlauben darf man es ihnen nicht!
© Othmar Hill 2021-01-16