by Georg Zenz
Das kleine Fischerboot fährt Achterbahn und mein Magen mit ihm. Hier, außerhalb des Riffs türmen sich die Wellen des Indischen Ozeans zu kleinen Gebirgen auf. Der Wind peitscht uns den Regen ins Gesicht und ich bin seekrank. Stunden kreuzen wir vor der Küste, auf und ab, lange Fangleinen im Schlepptau.
Als Köder brachte Peter alte, stinkende Tintenfischkadaver an. Das Öffnen der Kiste hätte beinahe mein Fass zum Überlaufen gebracht.
Nach zwei Stunden immer noch kein Biss. Die Küste ein schmaler Streifen, immer nur dann zu sehen, wenn das Boot auf einem Wellenberg ankommt, dort kurz schwebend verharrt, bevor es beinahe im freien Fall ins nächste Wellental stürzt, wo es mit einem lauten Knall hart aufsetzt.
„Fish!!“ Ein schriller Schrei von Peter. Mehr als 100 Meter hinter dem Boot teilt eine schmale hohe Rückenflosse das Wasser.
Von nun an geht alles schnell – so schnell dass ich Kopfschmerzen und Übelkeit vergesse. Peter stößt mich unsanft in den am Heck befestigten Stuhl.
Es ist dies ein alter Gynäkologenstuhl der den Weg aus einer Ordination bis hierher aufs Boot gefunden hat.
Kaum dass ich sitze, drückt er mir die schwere Angelrute in die Hand. In der nächsten Sekunde hängt ein wilder Stier an meinen Armen. Der Fisch springt und zieht wie verrückt.
„Pull, pull…!“
Immer wieder ziehe ich die Rute hoch um beim Nachlassen so schnell wie nur möglich die Spule zu drehen. Jedes Mal kommt der Fisch so um etwa einen Meter dem Boot näher.
Ein Meter von Hundert!
Ich schwitze aus allen Poren, die Muskeln in den Armen schmerzen. Immer wieder springt der Fisch im weiten Bogen über das Wasser, tanzt auf den Wellen, kann wahrscheinlich nicht verstehen welche unsichtbare Kraft ihn da in eine andere Richtung zieht.
„Pull, pull…” Der Fisch ist etwa auf 30Meter ans Boot herangekommen und springt wiederum aus dem Wasser. Jetzt erst erkenne ich seine wahre Größe. Es ist ein riesiges Exemplar eines Fächerfisches, mit bis zu 110 kmh der schnellste Fisch der Meere.
Über eine Stunde dauert der Drill bis er schließlich im Boot ist. Vor meinen Augen tanzen bunte Punkte wild durcheinander.
Ich habe noch nie so einen schönen Fisch gesehen. Seine großen blauen Augen strahlen und der gesamte Körper schimmert in allen Blautönen. Wie ein Opal glänzt er im Licht, die hohe Rückenflosse wie einen riesigen Flügel fächerförmig aufgestellt.
Aber wir sind in Afrika und dieser Fisch ist für den Markt bestimmt. Ein hungernder Kontinent kann sich kein schlechtes Gewissen wegen eines Fisches leisten. Peter und Joseph werden ihn um 1600 Kenya-Shilling in Mombasa verkaufen, das sind 18€! Ein schönes Einkommen für diesen Tag.
Zurück an Land. Fotos in Hemmingway´scher Manier. Der Fisch liegt quer über meinen Armen und die Rückenflosse ist steil wie ein Segel aufgestellt.
Dennoch: Weit draußen vor dem Riff war der erste Anblick dieser Flosse, als sie durch die Wellen schoss, eleganter, erhabener und mit Sicherheit auch schöner.
© Georg Zenz 2020-04-22