Der schlimmste Flug meines Lebens

Martina Naschberger

by Martina Naschberger

Story

Seit jeher zĂ€hlte das Reisen zu den großen Bereicherungen meines Lebens. Das damit verbundene Fliegen genoss ich ĂŒblicherweise auch.

Am 27. JĂ€nner 2001 saß ich zusammen mit meinem Mann und vielen Passagieren im Flug von Hongkong nach Bangkok. Als Letztes kamen noch drei MĂ€nner, wovon einer direkt neben mir auf der anderen Seite des Ganges Platz nahm. Mir fiel auf, dass er zu seiner traditionellen Kleidung wie man sie in Afghanistan trĂ€gt, einen nur zur HĂ€lfte abrasierten, langen Bart trug, was sonderbar aussah. Er sprach noch mit den beiden anderen MĂ€nnern, die sich auf entferntere PlĂ€tze setzten. Dann kehrte Ruhe ein und der Startvorgang begann. EndgĂŒltig in der Luft, fragte der Sitznachbar die Stewardess nach Rasierklingen. Sofort brachte sie ein PĂ€ckchen. Kurz darauf fragte er eine andere Stewardess ebenfalls nach Rasierklingen und bekam abermals eine Packung. WĂ€hrend des Lesens sah ich aus dem Augenwinkel, dass er nach vorne ein Zeichen gab. Als ich aufblickte, fiel mir auf, dass er mit den beiden mit ihm eingetroffenen MĂ€nnern mittels Gesten kommunizierte. Sie wirkten nervös. Bei einer Gestenfolge schien einer dem Mann mir gegenĂŒber deutlich zu machen, dass ich sie beobachtete. Also vertiefte ich mich irritiert wieder in mein Buch. Der weiter vorne sitzende Mann brachte seinen Aktenkoffer zum halbbĂ€rtigen Mann. Dieser verstaute ihn im GepĂ€ckfach.

Danach fragte er mich „Sind Sie und das Paar vor Ihnen aus Amerika?“ In Summe mit dem bisherigen sonderbaren Verhalten der drei MĂ€nner entstanden in meiner Phantasie plötzlich Gedanken ĂŒber eine FlugzeugentfĂŒhrung. Ich beeilte mich, zu sagen, dass wir aus Europa seien, aus einem sehr kleinen und unbekannten Land. Völlig unvermittelt schlug er nun vor, die Adressen auszutauschen, dann könnte er uns besuchen und wir ihn spĂ€ter auch. Er komme aus Karachi. Dieser Idee konnte ich nichts abgewinnen. Es passte ĂŒberhaupt nicht, jemanden einzuladen, den man ĂŒberhaupt nicht kennt!

Ich erklĂ€rte, dass wir so weit entfernt von einem Flughafen wohnen wĂŒrden und man so umstĂ€ndlich anreisen mĂŒsste, dass das sehr ungĂŒnstig sei. Er schien es zu verstehen und gab mir auf alle FĂ€lle seine Adresse. Danach nahm er den Aktenkoffer und verschwand fĂŒr lange Zeit in der Toilette, ohne sich die zweite BarthĂ€lfte zu rasieren.

Mir schien inzwischen alles so verdĂ€chtig, dass ich der Stewardess meine Beobachtungen mitteilte. Sie lachte nur und sagte, Pakistani wĂŒrden immer so verrĂŒckte Sachen machen. Daraufhin setzte ich mich wieder und sah einen Film an. Alles war o.k. und wir landeten sicher. Ich schĂ€mte mich ein wenig wegen meiner Gedanken, die ich nun fĂŒr Vorurteile hielt.

Einzig, als sich am 11. September desselben Jahres die bekannte Katastrophe in New York ereignete, erinnerte ich mich wieder an dieses sonderbare Erlebnis. Kann man ausschließen, dass einzelne in diesem Netzwerk bereits vorher Sicherheitsvorkehrungen in Flugzeugen austesteten?

© Martina Naschberger 2022-07-23

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